Stiftsmusik Stuttgart

... mit Lars Schwarze

Interessiert an einer fundierten, breitgefächerten Ausbildung

Stiftsmusiker für ein Jahr: Seit 1. Oktober ist Lars Schwarze »Kirchenmusiker im Praktikum« und damit musikalischer Assistent von Stiftskantor Kay Johannsen bei der Stiftsmusik. Wo er herkommt, was er sich von seinem Stuttgarter Jahr erhofft und was er danach vorhat, darüber sprach Ulrike Albrecht mit dem neuen Kollegen.

Lieber Lars, kannst Du uns zum Einstieg kurz erzählen, wo Du herkommst und wie Du zur Kirchenmusik kamst? 

Ursprünglich komme ich aus der niedersächsischen Kleinstadt Alfeld im Landkreis Hildesheim. Dort bin ich ganz klassisch über den Kinderchor und Klavierunterricht so langsam in die Kirchenmusik reingerutscht. Meine Klavierlehrerin war Kantorin und auch mit einem Kirchenmusiker verheiratet, zu dem ich später in den Orgelunterricht wechselte. In Hildesheim habe ich dann den C-Kurs gemacht und mich entschlossen, Kirchenmusik zu studieren – und zwar in Lübeck. Gar nicht mal unbedingt, weil ich damals Kirchenmusiker werden wollte, sondern weil die Ausbildung dort so breit gefächert ist. Das hat mich interessiert. 

Was zeichnet das Kirchenmusik-Studium in Lübeck denn vor anderen Hochschulen aus? 

Lübeck ist – wie gesagt – extrem breit und vielseitig. Orgel war mein Hauptinstrument, aber ich wollte vor allem das große Feld der Musik kennenlernen und eine möglichst fundierte Musikausbildung bekommen. Da kam mir das Lübecker Angebot mit viel Musiktheorie, mit Komposition, Musikwissenschaft, Gehörbildung usw. sehr entgegen. Auch Improvisation gehörte dazu - mit allen Möglichkeiten, die sie bietet, vom Begleiten von Stummfilmen bis zur Jazzmusik. Von Lübeck aus habe ich mich dann für ein Auslandsjahr in London beworben und ein Jahr an der Royal Academy of Music studiert, was für mich eine augenöffnende Erfahrung war: das Leben in einer solchen Großstadt und die Vielfalt an Kirchenmusik, die dort gepflegt wird. Super spannend! Es war ein tolles, teures Jahr in London – das ich aber glücklicherweise mit der Hilfe von Stiftungen finanzieren konnte … sozusagen meine erste Erfahrung mit Fundraising, halt in eigener Sache!

Nach einem Jahr zurück im kleinen Lübeck … Wie ging’s dort weiter?

Gut ging’s weiter! Ich hatte eine Assistentenstelle bei Arvid Gast, Professor dort an der Musikhochschule und gleichzeitig Titularorganist an St. Jacobi, einer der großen Innenstadtkirchen, und da sind sehr viele historische, wertvolle Orgeln. Und da durfte ich dann spielen, wir haben uns die Dienste geteilt, Trauungen, Gottesdienste, … 

Und wie kamst Du dann hier in den Süden? 

Nach dem Bachelor dachte ich mir: Jetzt war ich so viel im Norden unterwegs, jetzt möchte ich noch mal eine ganz andere Region und Szene kennenlernen – und so kam ich nach Stuttgart, weil ich da sehr angetan war von der Musikhochschule und auch von Jörg Halubek und seinen Barockprojekten. Also bin ich hierher gewechselt und habe hier Kirchenmusik A gemacht bei Jürgen Essl und Jörg Halubek. Und jetzt bin ich hier weiterhin eingeschrieben für das Konzertexamen und im Zweitstudium für diesen etwas speziellen Studiengang »Maestro al cembalo«, das heißt quasi Ensembleleitung vom Cembalo aus. Das ist ein Alte-Musik-Master, bei dem man sich sehr damit auseinandersetzt, wie Rezitative oder Generalbass funktionieren, was verschiedene Nationalstile voneinander unterscheidet etc. 

Dann ist es also wieder die Vielseitigkeit, die Dich reizt: das Cembalo als zusätzliches Instrument zur Orgel, das Zusammenspiel mit anderen …

Auf alle Fälle! Ich spiele sehr gerne Kammermusik mit anderen Leuten zusammen, das ist da natürlich noch einfacher als mit der Orgel! Da habe ich mich allerdings schon vor einiger Zeit mit einer Studienkollegin, Marion Krall, zusammengetan, wir haben ein Orgelduo gegründet, spielen also vierhändig und -füßig, das ist zurzeit so mein Haupt-Tätigkeitsfeld im Organistischen. Wir spielen viele Konzerte, vor allem auch mit eigenen Bearbeitungen von Orchesterwerken. Übrigens haben wir im Orgelduo auch einmal hier in der Stiftskirche gespielt, das war für eine SWR2-Produktion im Rahmen des Podcasts #zusammenspielen, mit dem der SWR freie Musiker:innen in der Corona-Pandemie unterstützt hat.

War das Deine erste Begegnung mit der Stiftsmusik?

Nein, tatsächlich hatte ich vor zehn Jahren beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert 2012 zum ersten Mal das Vergnügen, in der Stiftskirche an der Mühleisen-Orgel zu spielen. Ich steckte damals mitten im Abitur … und irgendwie hatte man mich wohl beim Einregistrieren vergessen … und letztlich bekam ich dann meinen Termin morgens um 6:00 Uhr … am Tag nach meinem mündlichen Abi! 

Und jetzt kehrst Du als »Kirchenmusiker im Praktikum« an die Stiftskirche zurück. 

Genau, mit großer Freude! Das kirchenmusikalische Praktikum ist ja eine wichtige Station, die man braucht zwischen Studium und einer hauptamtlichen Stelle als Kirchenmusiker. Hier bei der Stiftsmusik bietet das aber natürlich vor allem auch eine tolle Gelegenheit, in einem großen, professionellen Musik- und Konzertbetrieb mitzuarbeiten. Manches, was ich bereits in den letzten anderthalb Jahren als Kantor an der Gaisburger Kirche im Kleinen ausprobiert habe, kann ich hier im größeren Rahmen miterleben, in einem Team und auf hohem Niveau, mit vielen interessanten Ensembles, die hier jede Woche zu Gast sind. Das finde ich reizvoll! 

Was strebst Du an – perspektivisch, also nach Deinem Praktikum und Studium?

So schwer man das voraussehen kann … aber der Plan ist schon, eine Kirchenmusikstelle zu finden. Am besten natürlich irgendwo, wo die Ressourcen stimmen, wo das Instrument schön ist, wo Leute da sind, die Lust haben auf Musik. Aber letztlich bin ich offen – und natürlich bleibt einem eh nichts anderes übrig, als sich nach dem zu richten, was angeboten wird. Aber ein Praktikum an der Stiftskirche ist sicherlich hilfreich – und öffnet vielleicht so manche Türe. 

 

Vita

Lars Schwarze aus Alfeld (Leine) studierte an der Musikhochschule Lübeck Kirchenmusik B und Konzertfach Orgel in der Klasse von Prof. Arvid Gast und schloss mit Bestnote ab. Während seiner Studienzeit in Lübeck war er von 2016-2019 Kirchenmusik-Assistent von Prof. Arvid Gast und spielte regelmäßig an den historischen Orgeln von St. Jakobi, Lübeck. Im Oktober 2019 nahm er das Kirchenmusik A Studium in Stuttgart bei Prof. Jörg Halubek und Prof. Jürgen Essl auf. Im Rahmen eines einjährigen Auslandsstudiums studierte er Orgel bei Prof. David Titterington an der renommierten Royal Academy of Music in London und wurde dort mit dem „Margaret and Syndey Lovett Prize“ ausgezeichnet. Er ist zudem Preisträger des 5. Internationalen Buxtehudewettbewerbs, des 8. Internationalen Hermann-Schröder-Wettbewerbs und des instrumentenübergreifenden Wettbewerbs um den Possehlpreis. Beim Mendelssohn-Hochschulwettbewerb 2019 in Berlin wurde er mit einem 2. Preis und dem Preis des Bundespräsidenten ausgezeichnet. Neben einer regen Konzerttätigkeit als Organist ist er auch als Komponist tätig und erhielt Aufträge für die „Nordischen Filmtage“, das Weltkulturerbe Fagus-Werk Alfeld und die Temple Church London. Er war Stipendiat der Bürgerstiftung Alfeld, Heinrich-Dammann-Stiftung, der Marie-Luise-Imbusch-Stiftung und erhält derzeit das Deutschlandstipendium. Mit Marion Krall widmet er sich auch der Literatur für Orgel zu vier Händen und Füßen und transkribiert regelmäßig Orchesterwerke von u.a. Bach, Ravel und John Williams für Orgel. Das Duo erhielt 2020 in der Reihe #zusammenspielen eine eigene Rundfunkproduktion vom SWR und ist Auswahlensemble des „Klangspektrums Baden-Württemberg“.