Im Gespräch
Viele Kolleg:innen sorgen »hinter den Kulissen« für den reibungslosen Ablauf der Konzerte der Stiftsmusik. Mit einem kurzen Gespräch möchten wir Sie an dieser Stelle vorstellen.
Stiftskirchen-Mesnerin Eva Wilke
Stiftsmesnerin Eva Wilke ist seit August 2024 als Nachfolgerin des langjährigen Mesners Markus Friedrich an der Stiftskirche tätig. Für die Stiftsmusik ist sie jedoch kein Neuzugang, da Eva seit vielen Jahren Sängerin der Stuttgarter Kantorei ist. Im Interview mit Katharina Göhr stellt sie sich und ihre Arbeit im März 2025 kurz vor.

Liebe Eva, was machst Du als Mesnerin in der Stiftskirche eigentlich alles?
Schöne Sachen wie Glocken läuten und die Altarkerzen anzünden, langweilige Sachen wie Klopapier bestellen, schwere Sachen wie Konzertpodeste abbauen und total überraschende Sachen wie an der Turmuhr kurbeln. Man hat auch mit vielen Menschen zu tun, vom Bischof bis zum Obdachlosen. Man kann den Beruf auch als Veranstaltungs- und Gebäudemanagement auffassen.
Die ehemalige Geschäftsführerin der Stiftsmusik, Gabriele Zerweck, hat den*die Mesner*in der Stiftskirche mal als „logistische Schaltzentrale“ bezeichnet, ist da etwas dran?
Ja, viele Gruppen nutzen die Stiftskirche. Es gibt viele Gottesdienste, Konzerte, Besucher, Handwerker, aber es gibt zum Glück einen Kalender. So kann ich als Mesnerin den Überblick behalten. Die Absprachen über die vielen Veranstaltungen in der Stiftskirche sowie deren Vorbereitung einen großen Teil der Arbeitszeit ein.
Als Mesnerin der Stiftskirche bist Du ja auch für die vielen Konzerte der Stiftsmusik zuständig. Musizierst Du auch selber?
Ich singe selber seit 2002 in der Stuttgarter Kantorei. Ich mag eigentlich alles, was ich so lange geprobt habe, bis ich es auswendig kann. So wird die Musik ein Teil von mir oder ich ein Teil von der Musik.
Wie sah Dein Leben vor der Stiftskirche aus? Und wie bist Du schließlich Mesnerin geworden?
Ich war fast 30 Jahre lang Lehrerin und war das gerne. Aber man kann schlecht beide Berufe gleichzeitig machen. An Ostern 2024 habe ich im Gottesdienst gehört, dass ein neuer Mesner oder eine neue Mesnerin gesucht wird. Da habe ich sofort gedacht: das mach ich!
Worauf freust Du Dich in den kommenden Monaten am meisten?
Auf Ostern. Der erste Gottesdienst beginnt um 5:30 Uhr und die Mesnerin sollte eine gute Weile vorher da sein. Das wird ein besonderer Einsatz!
Assistent Jonas Dippon
Hallo Jonas, schön, dass Du von Oktober 2024 bis September 2025 da bist und willkommen im Team der Stiftsmusik!

Kannst Du uns zum Einstieg kurz erzählen, wo Du herkommst und wie Du zur Kirchenmusik gekommen bist?
Sehr gerne. Ich komme gebürtig schon aus Württemberg, allerdings aus dem Nordosten, also Hohenlohe, ich wurde in Crailsheim geboren. Mein Elternhaus ist der Kirchenmusik immer sehr zugewandt gewesen, allerdings eher auf Laienebene. Und ganz ehrlich; nach vielen Jahren des mehr oder minder erfolgreichen Klavierunterrichts hat man mir dann kurz nach der Konfirmation mitgeteilt, dass es ein gutes Taschengeld für Orgeldienste gibt. Und so entstand der erste Kontakt mit dem Instrument, was ich dann spätestens nach dem Abitur mit der Idee, entweder Medizin oder Kirchenmusik zu studieren, ein bisschen verselbstständigt hat. Und die Wahl fiel auf die Kirchenmusik. Zunächst verbrachte ich ein Jahr an der Berufsfachschule für Musik in Bad Königshofen und dann später, ab 2019, studierte ich Kirchenmusik an der Hochschule für Musik Weimar.
Was sprach denn gegen das Medizinstudium?
Ertsmal wenig. Letztendlich hat sich dann aber die Leidenschaft für die Musik durchgesetzt.
Und was hast Du in Weimar alles gelernt, oder anders gefragt, warum zog es dich an genau diese Hochschule?
Ich glaube, dass ich so dermaßen positive Erinnerungen an meine Weimarer Studienzeit habe, hängt maßgeblich mit den Menschen zusammen, die ich dort kennenlernen durfte und dabei neben meinen lieben Kommilitonen nicht zuletzt an den von mir hochgeschätzten Professoren Martin Sturm (Orgel) und Jürgen Puschbeck (Chordirigieren). Ich habe 2019 Aufnahmeprüfungen in Stuttgart, Leipzig und Weimar gespielt und in Stuttgart auch bestanden. Dort wollte ich unbedingt hin, habe dann aber keinen Platz bekommen. In Weimar war damals noch nicht bekannt, wer zu diesem Zeitpunkt die Nachfolge von Professor Kapsner antritt, ich habe mich damals also ein bisschen ins Blaue rein beworben. Es kam dann Martin Sturm. Und das war schön! Mit ihm verbinde ich ein sehr gutes, fachlich wie vor allem menschlich, hervorragendes Studium, eine insgesamt sehr, sehr fundierte Ausbildung. Und mit Jürgen Puschbeck verbinde ich hauptsächlich die Zeit im Kammerchor der HfM Weimar, mit dem wir hier auch schon in Stuttgart in der Stunde der Kirchenmusik waren, am 23. Juni 2023. Als ganze Stadt ist Weimar durchweht von einem wunderbaren Charme und inspiriert einen an allen Ecken und wird deshalb immer einen Platz in meinem Herzen haben.
Hast Du dann auch im Kammerchor hier in der Stunde mitgesungen?
Ja, ich war seit meinem ersten Semester im Kammerchor im Tenor und ab meinem vierten Semester auch Stimmführer. Das war über zehn Semester jede Woche mein Donnerstagabend. In der Stunde in Stuttgart haben wir damals unter anderem Mendelssohns Psalm 22 gesungen und jetzt, zu meinem Einstieg als Assistent hier durfte ich gleich wieder Mendelssohn Psalmen, allerdings mit Orchester, singen.
Singst Du noch in anderen Chören?
Also seit dem ersten Oktober natürlich in der Stuttgarter Kantorei, selbstredend. Vorher war der Kammerchor der Hochschule Weimar wegen des zeitlichen Aufwands tatsächlich mein einziger Chor. Ich habe dann aber selber noch ein paar Chöre nebenher geleitet, einen Posaunenchor und einen Kirchenchor. So wie man es halt macht im Kirchenmusikstudium.
Und wieso kommst Du aus Weimar nun wieder zurück nach Baden-Württemberg und dann auch noch an die Stiftsmusik?
Nun ja, nachdem Weimar anfangs ja gar nicht beabsichtigt war - mich hat es ja von Anfang an eigentlich nach Stuttgart oder in den Südwesten gezogen - war klar, jetzt nach Studienende ist endlich die Gelegenheit, wahr zu machen, was auf lange Sicht geplant war. In diesem Sommer fand dann auch noch unsere Hochzeit statt und da meine Frau ebenfalls sehr heimatverbunden ist und am Feuersee einen Job bekommen hat, habe ich mich auf einen Praktikumsplatz beworben, den man ja in der württembergischen Landeskirche aus bekannten Gründen braucht. Also habe ich bei Kay Johannsen vorgespielt und es hat einfach gepasst. Seitdem bin ich hier.
Seitdem ist seit dem 1. Oktober, also seit gerade erst zwei Wochen. Wie geht es Dir hier bei uns im Team der Stiftsmusik?
Gut! Grundsätzlich erlebe ich hier natürlich erstmal viel Neues und teilweise ganz anderes, als das, was ich von meiner Studienzeit her gewohnt war. Auch in Weimar gibt es eine wirklich gute und hochkarätige Kirchenmusik an der dortigen Herderkirche unter Johannes Kleinjung. In Stuttgart ist die Stadt größer, die Kirche ist größer, die finanziellen Mittel und die personelle Ausstattung sind größer. Und die Dinge, die hier realisierbar sind und über das Jahr verteilt in Form von Konzertreihen und Veranstaltungen stattfinden, kannte ich in solchen Dimensionen noch nicht. Und das finde ich sehr spannend. Nachdem ich jetzt fünf Jahre lang durch eine gute Freundschaft mit dem Kantor der Stadtkirche in Weimar und dadurch auch in einer engen Kooperation das Musikleben dort kennen und lieben lernen durfte, kommt jetzt einfach mal etwas anderes. Ein sehr hochkarätiger Konzertbetrieb an einer Kirche!
Worauf freust Du Dich während Deiner musikalischen Assistenz besonders? Was willst Du lernen und was sind Deine Aufgaben hier?
Ich denke, ich werde mit meinen Aufgaben hier wachsen. Das spricht irgendwo für sich. Auf der einen Seite steht bei so einem Betrieb natürlich immer das, was an Organisation dahinter steckt. Dort verspreche ich mir Erfahrungen zu sammeln, die mir nach Möglichkeit für eine spätere eigene große Stelle zum Vorteil gereichen könnten. Und auf der anderen Seite verspreche ich mir, durch das Niveau, das hier vorherrscht und die Erwartungen, die damit einhergehen, meine eigenen Fähigkeiten zu verbessern. Egal ob im gottesdienstlichen Orgelspiel oder im Leiten von Chören, was eben dazugehört. Und natürlich: Wenn man schon an so einer Stelle ist, wo regelmäßig Musiker:innen mit Rang und Namen einkehren, dann kann man auch genau diese Leute kennenlernen – Networking eben. Das finde ich sehr, sehr wichtig und es macht mir Spaß; ich bin ein geselliger Mensch. Nichtsdestotrotz ist mein Selbstverständnis als Kirchenmusiker, dass ich immer vorrangig im Dienst an der Gemeinde und der Gesellschaft wirke, egal in welcher Form.
Wie networkst Du?
Sobald ich das Gefühl habe, da ist die Möglichkeit, einen Kontakt zu knüpfen, gehe ich am liebsten persönlich auf die Leute zu und plaudere ein bisschen. Im direkten Gespräch mit Gastorganisten z.B. sammele ich gern Eindrücke, die mich selber am Instrument weiterbringen. Über die Musik hat man meistens auch direkt eine gemeinsame Kommunikationsbasis, was die Dinge erleichtert. Wenn´s passt, trinkt man zusammen ein Bier; ich finde, da führt man die besten Gespräche…
Was genau sind denn Deine organisatorischen und musikalischen Aufgaben?
Es ist spannend, dass diese Frage mir von der Stiftsmusik gestellt wird, weil ich an die Stiftsmusik seit zwei Wochen so ein bisschen die gleiche Frage habe (lacht). Ich bin jetzt am Anfang noch dabei, meine eigenen Aufgaben und einen eigenen Arbeitsrhythmus zu finden. Ich habe im Büro zu tun, ich koordiniere z.B. die Vorsingen für die Kantorei und für die Solist:innen, die mit Kay Johannsen musizieren möchten. Ebenso die Orgelmusik zum Weihnachtsmarkt, wobei das jetzt in diesem Jahr noch Clara Hahn übernommen hat, nächstes Jahr wird das dann meine Aufgabe sein. Ich spiele Gottesdienste, hier und da auch mal eine Mittagsmusik und Abendmahlsgottesdienste nach Bedarf. Dieses Jahr am Reformationstag spiele ich meinen ersten großen Gottesdienst in der Stiftskirche, da freue ich mich besonders drauf. Und ansonsten bin ich aktuell erstmal Mädchen für alles und versuche, egal in welchem Bereich, Erfahrungen zu sammeln und nützlich zu sein, wo es geht.
Du hast ja in diesem praktischen Jahr auch ein Assistentenkonzert. Gibt es da schon ein Datum und hast Du schon Pläne?
Ja, es gibt ein Datum, es wird mehr oder minder ein Abschiedskonzert für mich. Und zwar der 26. September 2025 zur Stunde der Kirchenmusik. Und nachdem ich bekennender Händel-Fan bin, möchte ich gerne das Dettinger Te Deum in Angriff nehmen, soweit mir das möglich ist. Vielleicht noch etwas vergleichbares dazu, mal schauen…
Wie stehst Du zur historischen Aufführungspraxis?
Es ist integraler Bestandteil im Studium in Weimar. Es ist, abgesehen vom Generalbass-Unterricht, kein abgegrenztes Fach, es gehört einfach dazu. Und dadurch, dass die Orgellandschaft in Ostdeutschland, speziell im Thüringer Raum, extrem durch historische Instrumente geprägt ist, hat man im Studium einen recht automatischen Zugang dazu.
Auf was freust Du Dich im nächsten Jahr besonders?
Ich freue mich einfach sehr auf all das, was ich im kommenden Jahr lernen kann. Ich bin ja noch ganz am Anfang und voller Tatendrang. Besonders gespannt bin ich auf die Stiftsmusik für alle. Da wurde mir von Leuten, die mitsingen, gesagt, das sei etwas sehr schönes, und sie würden sich alle darauf freuen. Und von allen, die mitmachen, wurde mir gesagt, es sei die „Bewährungsprobe“ für die musikalischen Assistent:innen. Entsprechend herrscht bei mir aktuell noch so ein bisschen eine Mischung aus Vorfreude und Respekt vor, aber das wird bestimmt ein Highlight in meinem Praktikumsjahr. Ansonsten hoffe ich, während dieses Jahres auch für mich selbst eine Perspektive in Form einer Stelle zu finden, das heißt, der ein oder andere Bewerbungsprozess um eine eigene Kirchenmusiker-Stelle wird sicher anstehen.
Stiftskantor und Dozent Kay Johannsen
Lieber Kay, Du bist seit 1994 Stiftskantor - also nun, 2017, seit 23 Jahren. Stiftskantor - ein Wort, drei Silben, viele Aufgaben! An der Stiftskirche Stuttgart bist Du Organist, Chorleiter der Stuttgarter Kantorei und des solistenensembles stimmkunst, Dirigent der Orchester Stiftphilharmonie und Stiftsbarock – aber auch Chef der Stiftmusik mit rund 100 Veranstaltungen und 20.000 Besuchern pro Jahr, mit zirka acht festen und freien Mitarbeitern sowie vielen ehrenamtlichen Helfern. Hinter dem schlichten Titel Stiftskantor verbirgt sich also eine Vielfalt an verschiedenen Aufgaben, ein enormes Arbeitspensum, das ganz unterschiedliche Talente und Fähigkeiten fordert: Du bist Musiker und Manager. Wie kriegt man das alles unter einen Hut?
Das alles hat sich ja erst im Laufe der Jahre entwickelt, es war nicht von Anfang an so. 1994 gab es keine Stuttgarter Kantorei, es gab keine neue Orgel, es gab zum Beispiel keine Orgelmusik zum Weihnachtsmarkt, keinen Zyklus Bach:vokal, es gab Vieles noch gar nicht! Auch ich bin hineingewachsen in die Aufgaben – und das Team ist ebenfalls größer geworden. Anfangs hatte ich eine Sekretärin, heute hat die Stiftsmusik eine Geschäftsführerin und noch mehrere Mitarbeiter! Die Dinge sind gewachsen – mit den Möglichkeiten, die sich vor allem durch die Renovierung der Stiftskirche von 1999 bis 2003 und dann durch die neue Orgel boten, für die wir zehn Jahre geplant und nach Spenden gesucht haben. Mit den neuen Möglichkeiten haben sich dann auch die Veranstaltungen ausgeweitet, der Publikumszuspruch ist größer geworden, so hat sich das alles entwickelt.
Und richtig: Die Aufgaben sind tatsächlich vielfältig, wobei in Deiner Auflistung noch eines fehlt: Ich bin ja auch noch Dekanatskantor und damit Fachberater für Kirchenmusik für die Gesamtkirchengemeinde Stuttgart. Ich bin bei allen Stellenbesetzungen dabei – und das sind gar nicht so wenige ...
Bleibt immer noch die Frage, wie Du das alles unter einen Hut kriegst ...
Ich habe immer versucht, eine Priorität für mich zu setzen, und das ist das musikalische Vorbereiten. Das Üben steht für mich tatsächlich an erster Stelle – und obwohl ich sehr viel dirigiere, ist das Üben am Instrument immer die erste Priorität, vor allem anderen. An guten Tagen spiele ich den ganzen Vormittag in der Stiftskirche. Ich habe zwar auch zuhause eine Orgel, aber in der Stiftskirche sind die Bedingungen so wunderbar, dass ich gerne morgens dorthin radle und spiele. Am Nachmittag kommen dann die anderen Dinge dran, die Schreibtischaufgaben, die mit der Planung der Konzerte zu tun haben, die Besprechungen mit Gabi Zerweck über finanzielle, organisatorische und inhaltliche Dinge.
Und abends sind ja oft Proben. Mit der Stuttgarter Kantorei proben wir regelmäßig einmal pro Woche, manchmal auch zweimal oder zusätzlich am Wochenende ... das allein sind etwa 80 Termine im Jahr. Das ist ganz anders als mit dem solistensemble stimmkunst, das ja ein reines Projektensemble ist, zwar mit jährlich fünf bis sechs Projekten, die dann auch eine ganze Woche dauern, aber trotzdem: Die Kantorei, die ein großer Chor ist mit rund hundert Mitgliedern, fordert mich auf ganz andere Art und Weise. Der Chor verlangt von mir nicht nur musikalische Aufmerksamkeit und Vorbereitung, sondern ist ja auch ein soziales Gefüge, das es zu begleiten und zu leiten gilt.
Jedenfalls: Diese Leitlinie – das Musikalische an erster Stelle – versuche ich durchzuhalten, denn das gibt mir die Sicherheit, dass ich zunächst Musiker bin und als Musiker überzeuge, nicht (nur) als Organisator von Konzerten, sondern als Musiker, den die Leute gerne hören wollen Und das hat sich bewährt. Meine Orgelkonzerte sind ja so erfreulich gut besucht, und wenn wir mit dem Chor singen und ein Oratorium aufführen, dann ist der Zuspruch auch sehr groß! Und bei unserem offenen Projekt Stiftsmusik für alle ist es jedes Mal wieder wunderbar zu erleben, wie viele da kommen, um gemeinsam mit anderen und mit mir zu msuizieren.
Damit nicht genug: Auch weit über Stuttgart hinaus gibst Du als Organist und Dirigent Konzerte, Du spielst CDs ein – und Du komponierst. Ende August findet zum Abschluss des »Internationalen Orgelsommers« das Release-Konzert Deiner neuen CD »Sunrise« statt mit eigenen Kompositionen für Orgel solo und Orgel mit Orchester. Wann findest Du Zeit und wie die Muße zum Komponieren?
Ich bezeichne mich selbst ja ungern als Komponisten, lieber als schreibenden Interpreten. Aber meine Frau sagt, das sei allmählich Unsinn, ich müsse jetzt halt mal dazu stehen, dass es eben doch das Komponieren sei. Tatsächlich sind es mittlerweile – grob durchgezählt – um die 300 Werke, die ich geschrieben habe. Ich habe schon als Jugendlicher recht viel geschrieben, aber später im Studium hatte ich dann solch einen Respekt vor der Neuen-Musik-Szene, dass ich mich lange gar nicht getraut habe, mein Schreiben öffentlich zu machen. Dann war es aber so, dass ich in meinen Orgelkonzerten sehr viel und immer mehr improvisiert habe. Und durch die positiven Rückmeldungen der Leute merkte ich, dass sie meine musikalische Sprache wirklich gerne hören, und dann dachte ich: Das muss ich weiter entwickeln und auch einiges davon festhalten.
Mit der Zeit und Muße funktioniert es nur so, dass ich einen Werktitel ins Programm schreibe und sage: Da ist die Uraufführung. Und dann muss es halt fertig werden. Aber wir Musiker sind ja gewohnt so zu arbeiten, wir legen einfach einen Termin fest, an dem das Brahms-Requiem, eine Bach-Kantate oder ein Orgelwerk aufgeführt wird. Obwohl wir es zu diesem Augenblick noch gar nicht geübt oder geprobt haben ... Beim Komponieren ist es auch so: Ich habe den Termin, und dann wird’s auch fertig.
Ende August wird nun meine erste Orgel-CD Sunrise mit eigenen Kompositionen veröffentlicht. Es war einfach der Punkt gekommen, dass ich so viele Stücke hatte, zu denen ich auch gerne stehe – darunter übrigens ein ganz frühes für Flöte und Orgel noch aus dem Studium –, und mich jetzt richtig freue, dass ich sie alle auf einer CD zusammenpacken konnte. Ich habe sie ja dann auch selber eingespielt, die Texte dafür geschrieben, und am 25. August ist es so weit, dass wir die CD der Öffentlichkeit präsentieren können, zum Abschluss des Internationalen Orgelsommers!
Apropos Komponieren auf Termin: Am 27. Oktober dirigierst Du die Uraufführung Deines abendfüllenden Oratoriums »Credo in Deum« zum Reformationsjubiläum. Der Kartenverkauf läuft bereits. Ist das Werk denn schon fertig?
Nein, das Werk ist noch nicht fertig (schmunzelt). Mehr noch als bei anderen Themen habe ich hier gemerkt, was für eine schwere Aufgabe es ist, ein Credo zu komponieren. Ich wollte nicht einfach ein Jubel-Glaubensbekenntnis schreiben, wie man es vielleicht im Ohr hat von vielen – auch hoch bedeutenden – Kompositionen. Aber wir befinden uns einfach im 21. Jahrhundert, wir sind nicht mehr Volkskirche, und für mich selber ist Glaube auch immer eine Sache, die vom Zweifel lebt. Ich wollte vieles davon unterbringen: eine Glaubenshinterfragung, die letztlich natürlich schon in eine Glaubensüberzeugung mündet, aber diesen Prozess unterzubringen in Musik, das habe ich als wirklich sehr herausfordernd empfunden.
In Deiner Freizeit läufst Du: Halbmarathon und vielleicht bald auch Marathon? Ein Relax-Programm ist das auch nicht gerade, im Gegenteil! Wieder eine Anstrengung, eine Herausforderung. Warum nicht einfach mal auf der faulen Haut liegen?
Also das mit dem Sofa passt einfach nicht zu mir. Ich kann zwar im Urlaub mal eine Woche lang faul sein, das ist möglich. Aber sonst ist für mich der Ausgleich zur musikalischen Arbeit die motorische Bewegung, das war schon immer so. Ich werde ruhig in der Bewegung. Ich werde auch beim Üben ruhig, wenn ich Orgel spiele mit Händen und Füßen ... aber eben auch beim Laufen. Vor allem die langen Läufe, die man in einem konstanten Tempo läuft, haben durchaus einen meditativen Aspekt. Zugegeben: Seit einer Weile laufe ich auch gerne Läufe, bei denen es ein bisschen um die Zeit geht, aber das mit einer heiteren Ernsthaftigkeit. Ich finde es einfach lustig, mit Leuten am Start zu stehen und vor allem nachher im Ziel, die auch so ein bisschen verrückt sind, und dann darüber zu lachen, dass es dieses Mal leider nicht ganz so gut geklappt hat oder dass man drei Minuten schneller war als beim letzten Lauf. Entscheidend ist: Ich fühle mich einfach gut dabei! Es gibt übrigens auch einen gesundheitlichen Aspekt: Ich habe keine Rückenprobleme und ich kann stundenlang beschwerdefrei an der Orgel sitzen ohne dauernd zum Arzt rennen zu müssen und mir Spritzen geben lassen. Ich laufe einfach! Für mich ist das der ideale Ausgleich – aber ich habe absolutes Verständnis für alle, die lieber auf dem Sofa liegen (lacht).
Bislang haben wir vor allem über zwei Leidenschaften gesprochen: Musik und Marathon. Was bewegt Dich sonst?
Meine Familie natürlich ... und es gibt noch eine »Neben-Leidenschaft«, das ist die Literatur. Ich habe zwar keine Muße, mich hinzusetzen und ein Buch zu lesen, aber ich höre unglaublich viel, immer schon morgens, während ich das Frühstück mache oder wenn ich zum Bäcker gehe ... Sofort habe ich das Hörbuch drin und höre alle mögliche Literatur. Insofern ist dieser Bereich ziemlich wichtig für mich, die Literatur bringt mich zwischendurch immer wieder in eine andere Welt, sie schafft mir eine gewisse Distanz und bringt mich auf neue Ideen.
Vielen Dank, Kay, für das Gespräch – und toi, toi, toi für »Sunrise«, die »Credo«-Uraufführung und Deine nächsten Langstreckenläufe!
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Die Pädagogik war Stiftskantor Kay Johannsen immer schon ein Anliegen, und vor allem zu Beginn seiner Laufbahn nahm das Unterrichten viel Raum ein: Von 1991 bis 2000 war er Lehrbeauftragter für Orgel-Literaturspiel an der Musikhochschule Karlsruhe. Zudem übernahm er in dieser Zeit eine Professur-Vertretung an der Freiburger Musikhochschule und später, 2014/15, für zwei Semester an der Hochschule Luzern – Musik. Darüber hinaus gab und gibt er Meisterkurse in Peking, Seoul, Kiew, Plovdiv, Havanna, Mexico City, Udine, Hannover, Rottenburg und Bad Homburg – und nach Pfingsten auch an der Musikhochschule Mainz. 2020 wurde Kay Johannsen auf eine Dozentur für Orgel nach Luzern berufen und baut dort seit dem Frühlingssemester 2021 eine Orgelklasse auf. Ulrike Albrecht sprach 2023 mit dem Stiftskantor über das Unterrichten, die Zugfahrten nach Luzern und die reizvolle Umgebung am Vierwaldstätter Sees.
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Was reizt Dich am Unterrichten, an der Arbeit mit den Studierenden?
Als Erstes fällt mir ein: die Entwicklung von jungen Leuten begleiten zu können. Es ist spannend, für die so verschiedenen Studierenden die jeweils passenden Rezepte zu finden, um sie auf ihrem Weg zu unterstützen. Irgendwelche Hürden gibt es immer zu überwinden, und manchmal helfen mir dabei meine eigenen Erfahrungen von früher oder auch von heute, manchmal aber auch nicht. Dann muss ich herausfinden, was weiterhelfen könnte, um Lösungen für technische oder musikalische Probleme zu finden.
Wie bist Du ausgerechnet in die Schweiz und nach Luzern gekommen?
Eigentlich habe ich nach fast zehn Jahren als Lehrbeauftragter an der Musikhochschule Karlsruhe bewusst so gut wie gar nicht unterrichtet, denn neben der mehr als ausfüllenden Stelle als Stiftskantor habe ich nicht wenige Konzerte gespielt und immer mehr auch komponiert. Auch der große Zyklus Bach:vokal spielte eine Rolle, denn dafür brauchte ich viel Energie. Unterrichtet habe ich über viele Jahre fast nur bei Kursen, die sich zum Beispiel im Zusammenhang mit Reisen für Goethe-Institute im Ausland ergaben. Eine Ausnahme war die Dozentur-Vertretung in Luzern 2014/15, für die ich angefragt wurde. Das Jahr habe ich als so inspirierend erlebt, dass ich mich einfach beworben habe, als 2020 an der Luzerner Hochschule eine Teilzeitdozentur ausgeschrieben wurde. Ich war übrigens der älteste Bewerber (lacht).
Wieviele Student:innen unterrichtest Du derzeit in Luzern?
Das schwankt jedes Semester. Ich kann im Prinzip nur einen Tag pro Woche in Luzern sein, sonst wird es mir zu viel. Im letzten Semester waren es dennoch 13 Studierende, darunter allerdings einige mit kürzeren Unterrichtseinheiten. In diesem Semester sind es zehn – das ist eine gute Klassengröße. Ab dem Herbst werden es dann eher weniger sein, dafür aber mehr Studierende in höheren Studiengängen mit längeren Einheiten.
Was vor allem möchtest Du Deinen Studierenden vermitteln und mit auf ihren Weg geben?
Das ist kaum in einem Satz zu fassen. Natürlich wünsche ich mir, dass ich sie darin unterstützen kann, selbständige Musikerinnen und Musiker zu werden. Das ist gar nicht so leicht, denn man braucht viel Erfahrung, um Werke selbständig einzustudieren, die besten Fingersätze zu finden, den jeweiligen Stil angemessen darzustellen, eine Klangvorstellung zu entwickeln und damit eine gute Registrierung auf dem gerade zur Verfügung stehenden Instrument zu wählen. Im Hintergrund steht dabei auch mein Ziel, die Orgel als dynamisches Instrument erlebbar zu machen; das ist durchaus eine Herausforderung, da der Orgelklang an sich ja statisch ist.
Wie oft bist Du vor Ort am schönen Vierwaldstätter See?
Die Semester dauern jeweils 16 Wochen, und in der Regel fahre ich einmal pro Woche hin, manchmal auch an zwei Tagen, wenn wir in Stuttgart ein großes Projekt haben und ich Stunden vor- oder nachholen möchte. Vor allem im Sommer gibt es eine lange Pause von gut zwei Monaten, im Winter sind es vier Wochen.
Wie lange fährst Du?
Die Zugfahrt dauert ziemlich genau vier Stunden - und zwar egal, ob ich über Zürich oder Basel fahre. Meistens fahre ich am Sonntagabend hin und komme am Montagabend zurück. Mit der Zeit bekommt man einen Riecher dafür, zu welchen Zeiten und auf welcher Strecke Verspätungen zu erwarten sind – wobei ich immer aufatme, wenn ich über die Schweizer Grenze gekommen bin, denn in der Schweiz flutscht es reibungslos!
Luzern ist eine attraktive Stadt – und die Lage am Vierwaldstätter See natürlich ein Traum! Hast Du manchmal Zeit und Muße, die reizvolle Umgebung zu genießen?
Das eine oder andere von der Umgebung haben meine Frau und ich im letzten Herbst erlebt, da habe ich den Unterricht mit ein wenig Urlaub verbinden können. Vor allem bin ich damals aber auch den Luzerner Halbmarathon mitgelaufen – eine Strecke, die von der sagenhaften Landschaft her schwerlich zu toppen ist. In der Regel sehe ich von Luzern nur sehr wenig, aber das wenige reicht schon, um mein Herz höher schlagen zu lassen. Die Hochschule liegt übrigens beinahe am Fuß des Pilatus, und natürlich schaue ich immer gerne den schneebedeckten Gipfel an, bevor ich zur Orgel gehe.
Apropos Zeit und Muße: Wie kriegst Du das unter einen Hut, gleichzeitig Stiftskantor in Stuttgart und Orgeldozent in Luzern zu sein?
Früh aufstehen … Gott sei Dank fällt mir das nicht so schwer, so dass ich sowohl in Stuttgart gegen acht Uhr morgens mit dem Üben in der Stiftskirche anfangen kann und in Luzern mit dem Unterrichten. Aber zu beiden Stellen gehört nicht nur die Musik, sondern auch Organisation. In Stuttgart hilft mir mein tolles Stiftsmusik-Team enorm, und wenn ich etwas vergesse, werde ich freundlich daran erinnert, dass ich diesen Plan oder jene Konzeption noch liefern muss. „Muss“ ist für mein Dasein als Stiftskantor eigentlich eine ganz unpassende Vokabel, denn ich darf ja lauter Dinge tun, die mir Spaß machen, mich erfüllen und zugleich vielen Zuhörerinnen, Zuhörern, Musikerinnen und Musikern etwas bedeuten. Das relativiert die beträchtliche Menge an Arbeit sehr. Schließlich befruchten sich beide Stellen auch: Durchs Unterrichten lerne ich selbst auch immer etwas, und meine Erfahrungen als Kirchenmusiker, als Interpret an der Orgel und am Dirigentenpult sind für meine Studierenden hoffentlich auch nicht unwichtig. Solange ich zwischendurch noch etwas Zeit zum Laufen finde, bin ich zufrieden!
Vielen Dank, lieber Kay, für den kleinen Einblick in Dein „Doppelleben“ als Stiftskantor und Orgeldozent und Deine Reisen zwischen Schwabenland und Schweiz.
Ein ausführliches Interview des Katholischen Kirchenmusikverbands im Kanton Luzern mit Kay Johannsen lesen Sie hier. Zur Webseite der Hochschule Luzern geht es hier.
Marie Kaufmann, Geschäftsführerin
Bei der Stiftsmusik wechselt zum 1. August 2022 die Geschäftsführung: Mit der 27-jährigen Marie Kaufmann bekommt die Stiftsmusik die jüngste Geschäftsführerin, die sie bislang hatte. Ulrike Albrecht sprach mit ihr über ihre Ausbildung und den neuen Job.

Marie, Du wirst zum 1. August Geschäftsführerin der Stiftsmusik. Worauf freust Du Dich am meisten – und wovor hast Du den größten Respekt?
Ich freue mich am meisten drauf, wieder etwas mit Musik zu machen, wieder mehr mit Musik zu tun zu haben. Ganz besonders freut es mich, dass es sich dabei um geistliche Musik handelt, mit der ich sehr vertraut bin. Ich habe von klein auf Musik gemacht, meistens im Laienbereich. Als Jugendliche habe ich dann aber auch die kirchenmusikalische C-Ausbildung absolviert, und in meinem Bachelor-Studium habe ich einen Schwerpunkt auf Musikforschung gelegt, der dann im Master-Studium von anderen, neuen Dingen – vor allem der Kulturvermittlung – überlagert wurde. Jetzt fühlt es sich für mich an wie ein Heimkommen zur Musik, darüber freue ich mich!
Die größte Herausforderung ist es, dass viele Aufgaben auf mich warten, die ich zwar schon mal gemacht habe, aber natürlich im viel kleineren, oft auch ehrenamtlichen Umfeld. Das alles jetzt für eine große Institution wie die Stiftsmusik zu machen, in einem deutlich umfangreicheren und natürlich hoch professionellen Rahmen, ist schon eine Herausforderung. Aber es reizt mich, das zu lernen und ich bekomme auch viel Unterstützung vom Team der Stiftsmusik. Von daher freue ich mich auch darauf!
Lass uns einen kurzen Blick zurück auf Deinen Werdegang werfen: Was waren die wichtigsten Stationen Deiner Ausbildung?
Ich stamme aus einer Familie mit neben- und inzwischen auch hauptberuflichen Kirchenmusikern und war daher immer schon nah dran an der Musik. Seit ich meine Ausbildung zur C-Organistin gemacht habe, spiele ich regelmäßig selbst Orgel im Gottesdienst und leite einen Kirchenchor. Dass ich das nicht hauptberuflich machen möchte, stand aber recht bald fest, trotzdem wollte ich etwas mit Musik machen. So habe ich nach dem Abitur erst einmal ein FSJ in der Kulturabteilung der Stadt Neustadt an der Weinstraße absolviert, ehe ich dann mein Bachelor-Studium mit den Schwerpunkten Musikforschung und Medienpraxis an der Musikhochschule in Mannheim begonnen habe. Im Zuge meiner Bachelor-Arbeit habe ich das Feld der Musikvermittlung kennengelernt, das ich unglaublich spannend finde. Deshalb habe ich mich dann für den Masterstudiengang Kulturvermittlung in Karlsruhe entschieden, den ich im letzten Jahr abgeschlossen habe. Schon nebenher und danach habe ich erste Berufserfahrungen in Praktika, Hospitanzen, Assistenzen und Aushilfstätigkeiten in den verschiedensten Bereichen gesammelt, von der Kulturredaktion des ZDF über den Musikverlag Schott Music bis hin zum Verein Konzerthaus Stuttgart.
Kulturvermittlung, das höre ich ganz deutlich heraus, ist ein Steckenpferd von Dir: Du hast es studiert und auch in Praktika vertieft. Warum ist Dir das so wichtig und hast Du schon Pläne, wie Du das bei der Stiftsmusik umsetzen möchtest?
Musikvermittlung ist ein super spannendes Feld für mich, weil man Verständnisbrücken und Zugangsmöglichkeiten schaffen kann – gerade auch für Menschen, die sonst nicht so viel mit Musik zu tun haben. Und das geht eben nicht über den Weg der Musikwissenschaft, also sozusagen über die harten Fakten zur Musik, sondern es gibt auch andere Wege, die ganz viel mit dem Fühlen, dem Wahrnehmen von Musik zu tun haben. Gerade im Klangraum der Stiftskirche fände ich das einen unglaublich spannenden Aspekt, die Akustik zum Thema zu machen oder auch das Instrument Orgel: Was kann die Orgel klanglich, was löst sie aus bei den Hörer:innen? Davon abgesehen gibt es ja bei der Stiftsmusik bereits verschiedene Formate der Musikvermittlung, sei es – ganz klassisch – das Programmheft oder auch die Projektion der Organist:innen auf Leinwand bei den »Orgelsommer«-Konzerten, die den Akt des Orgelspiels in den Fokus rücken, den man sonst nicht sieht, oder auch der Künstlertreff auf der Orgelempore … All das beizubehalten, zu stärken und vielleicht zu schauen, wie man das Thema weiterentwickeln kann, das sind die Ideen, die ich mit Kay Johannsen und dem Team gerne besprechen und weiterverfolgen möchte.
Das Ende Deines Studiums liegt erst wenige Monate zurück – und jetzt fliegst Du quasi direkt von der Uni in den „Chefinnen-Sessel“. Wie fühlt sich das an?
Einerseits ist das eine sehr große Ehre, und ich freue mich wirklich sehr, in diese Position zu kommen; ich bin dankbar – und durchaus auch demütig. Andererseits denke ich, dass ich gerade im letzten halben Jahr zwischen Studium und jetzt viel gelernt habe, was Organisation, Moderation, soziale Kompetenzen anbelangt – das war sicherlich eine gute Vorbereitung auf die Stelle als Geschäftsführerin.
Du singst im Kirchenchor, seit Du Kind bist, Du hast als Jugendliche die Ausbildung zur C-Kirchenmusikerin gemacht, Du hast im Nebenfach Orgel studiert und leitest sogar selbst einen Kirchenchor. Die geistliche Musik spielt in Deinem Leben schon lange eine große Rolle. Was bedeutet sie Dir?
Wie gesagt: Ich bin von klein auf damit vertraut – und habe auch immer die Gemeinschaft geschätzt, die mit der Musik, vor allem natürlich mit dem Chorsingen, verbunden ist. Das wurde besonders deutlich in den Lockdowns der Corona-Pandemie, wo das alles plötzlich weg war. Für mich war und bleibt es eine sehr schöne und bereichernde Erfahrung: das Künstlerische, Musikalische auf der einen Seite, die Gemeinschaft auf der anderen Seite – und nicht zuletzt die weitere Dimension, die die geistliche Musik außerdem hat: dass sie nicht Musik zum Selbstzweck ist, sondern dass es immer den Glaubensinhalt gibt, den die Musik auf ganz besondere Weise vertiefen und transportieren kann, weil sie direkt die Emotionen anspricht.
Außerdem engagierst Du Dich in der Jugendarbeit der Pfarrgemeinde. Kannst Du Dir vorstellen, auch bei der Stiftsmusik Angebote für Jugendliche zu schaffen?
Bei uns in der Kirchengemeinde habe ich mich hauptsächlich um die Messdiener, die Ministranten, gekümmert, da gibt es viel zu organisieren, aber auch Ausflüge zu planen und Aktivitäten durchzuführen – was leider von Corona auch ausgebremst wurde … jetzt langsam läuft es zum Glück wieder an. Und ja, natürlich fände ich es auch spannend, Angebote für Jugendliche bei der Stiftsmusik im Konzertbereich anzubieten, das braucht aber sicherlich viel Planung und ein gutes Konzept, das auch tragfähig ist.
Jetzt zum Schluss noch etwas Privates: In Deiner pfälzischen Heimat warst Du von 2013 bis 2015 Weinprinzessin. Was macht eine Weinprinzessin eigentlich? Und wie kamst Du dazu?
In meinem Fall war das ganz einfach, ich wurde gefragt (lacht). Ich komme aus einem kleinen Dorf mit rund 600 Einwohnern – da gibt es nicht so viele Mädchen im passenden Alter zwischen 16 und 20. Deshalb wurde ich gefragt und habe auch mit Freuden angenommen. Es geht drum, dass man den Ort und die Winzer des Ortes bei Festivitäten vertritt und repräsentiert, die Weinfeste eröffnet, im Ort selbst, aber auch außerhalb. In meiner Zeit hat mich diese Aufgabe bis nach Berlin geführt und mehrfach in unsere Partnergemeinde im Elsass. Das war eine schöne Zeit, ich habe viel gelernt – nicht nur, aber auch über Wein, vor allem aber, was den Auftritt in der Öffentlichkeit anbelangt. Ich habe viele Leute getroffen und viel erlebt. Kurzum: Es war eine tolle Erfahrung, die ich nicht missen möchte.
Vielen Dank, liebe Marie, fürs Gespräch, herzlich willkommen bei der Stiftsmusik und: Auf gute Zusammenarbeit!
2. Stiftsorganistin Clara Hahn
Das neue Jahr bringt eine neue Kollegin: Zum 1. Januar 2021 begrüßen wir Clara Hahn als 2. Stiftsorganistin bei uns im Team – als Nachfolgerin von Kensuke Ohira, der in seine japanische Heimat zurückkehrt. Ulrike Albrecht stellt die junge Kirchenmusikerin vor.

Clara Hahn ist in Aalen aufgewachsen und dort schon als Kind in die Kirchenmusik „hineingeschlittert“, wie sie selbst sagt. Mit zehn Jahren wurde sie Mitglied der Kinderkantorei, bald darauf sang sie im Jungen Kammerchor Ostwürttemberg, im Aalener Kammerchor und in der Aalener Kantorei. Das prägt. Daneben spielte sie Akkordeon und Blockflöte. Orgelunterricht nahm sie ab 2005 bei Bezirkskantor Thomas Haller, bei dem sie nach dem Abitur 2009 auch ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren und dabei in viele Tätigkeiten eines Kantorats hineinschnuppern konnte, von der Arbeit in Kinder- und Jugendchören über das regelmäßige Orgelspiel in Gottesdiensten bis hin zu einem Restaurierungs-Projekt einer historischen Orgel. Ihr Studium der Kirchenmusik folgte logisch und organisch, zunächst in Tübingen (Diplom B), danach in Heidelberg (Diplom A). Dazwischen lag ihr Kirchenmusikalisches Praktikum, das sie in Münsingen absolvierte – mit allem, was dazugehört: Chorleitung verschiedenster Ensembles (vom Kinder- und Jugendchor über die Kantorei bis zum Pop-Projektchor), Gottesdienstspiel, Konzertorganisation und sogar Pressearbeit.
Direkt nach ihrem A-Diplom übernahm sie im September 2018 eine Stelle als Kirchenmusikerin bei der Evangelischen Kirchengemeinde in Tamm, wo sie seither den Kirchenchor, das Frauenensemble und den Kinderchor leitet, die Gottesdienste musikalisch gestaltet und eine kleine Konzertreihe organisiert. Den Freiraum, den ihr diese 65-Prozent-Stelle bot, nutzte Clara Hahn für ihre Künstlerische Ausbildung im Fach Orgel, die sie fast, aber noch nicht ganz abgeschlossen hat … Die allerletzten Prüfungen bei Maria Mokhova in Heidelberg sind für Januar geplant. Clara Hahn bereitet sich derzeit intensiv darauf vor. Dennoch wirkt sie entspannt. Ihre Traumstelle hat sie ja bereits gefunden … bei uns, als 2. Stiftsorganistin.
Worauf sie sich besonders freut? Viel orgeln zu dürfen, das findet Clara Hahn toll – im Gottesdienst wie im Konzert. Ihre Orgeldienste für Januar und Februar sind bereits fest geplant, ebenso ihre ersten Konzerttermine im Rahmen der »Stunde der Kirchenmusik«. Ihr »Stunde«-Debüt gibt sie – wenn alles gutgeht – am 19. Februar mit dem Frankfurter Kammerchor unter der Leitung von Wolfgang Schäfer. Kaum einen Monat später, am 12. März, wird sie im Jubiläumskonzert des weltberühmten Windsbacher Knabenchors mitwirken – sofern es die Corona-Beschränkungen zulassen.
Es geht also gleich in die Vollen … doch das schreckt Clara Hahn nicht. Sie freut sich auf den lebendigen Konzertbetrieb bei der Stiftsmusik und die Begegnung mit vielen hochkarätigen Künstler*innen, die hier ein- und ausgehen. Sie freut sich auf ein interessiertes Publikum in den »Stunde«-Konzerten; auf eine musikliebende Gemeinde in den Gottesdiensten … und auf die Zusammenarbeit mit Stiftskantor Kay Johannsen. Wir freuen uns auf Clara Hahn, die mit ihren gesammelten Erfahrungen bestens gerüstet ist für ihre neue Aufgabe: Herzlich willkommen im Stiftsmusik-Team!
Die Weihnachtszeit 2020 hat Clara Hahn in ihrer Kirchengemeinde in Tamm mit gemischten Gefühlen erlebt: ohne Chorproben und -aufführungen, ohne persönlichen Abschied von ihren Ensembles. Aber „immerhin“, sagt Clara Hahn, „konnte ich als Organistin mehr musizieren als es für die meisten Musiker*innen derzeit möglich ist.“ Doch nicht aufgrund dieses Privilegs in Corona-Zeiten, sondern überhaupt ist die Orgel für Clara Hahn das beste Instrument, das man spielen kann. Ab sofort ist sie bei uns in der Stiftskirche zu hören.
Dagmar Hahn, Projektorganisation
Dagmar Hahn, zuständig für die Projektorganisation der Ensembles im Stiftsmusik-Team, 2016 im Gespräch mit Geschäftsführerin Gabriele Zerweck.
Liebe Dagmar, 10 Jahre ist ja eine ganze Weile – hat sich im Laufe der Jahre viel verändert bei der Stiftsmusik?
Oh, ja, sehr!... Einfach von den Abläufen her. Da sind wir noch effizienter geworden, finde ich. Das mussten wir auch werden, denn die Arbeit hat doch eher zugenommen in den letzten Jahren. Beispielsweise sind wir im Internet und in sozialen Netzwerken aktiv, das gab es in 2006 so noch nicht. Aber vor allem muss man sagen: es sind inzwischen deutlich mehr Projekte für uns zu organisieren pro Jahr: Orgelmusik zum Weihnachtsmarkt, Stiftsmusik für alle, Bach:vokal…. Das sind alles Konzertreihen, die es in 2006 noch gar nicht gab bzw. ganz neu waren. Gleich geblieben ist der Anspruch von Kay Johannsen in der Stiftskirche, Musik auf hohem Niveau zu präsentieren. Da hat sich nichts geändert. Und was sich auch nicht geändert hat: Wir brauchen immer noch Musiker, die am richtigen Tag zur richtigen Zeit mit ihren Instrumenten am Pult sitzen. Darauf ließe sich meine Arbeit im Prinzip reduzieren: Dass ich dafür Sorge trage. Aber da gibt es natürlich noch drum herum noch manches zu organisieren…
Was denn zum Beispiel?
Ach, das fängt bei der Notenbeschaffung an und hört bei der Abrechnung der Honorare noch gar nicht auf! Und auch diese Fragen sind manchmal gar nicht so banal lösbar. Etwa, wenn wir merken, dass es von einem Werk gar kein Aufführungsmaterial gibt, sondern lediglich eine Partitur käuflich ist. Da wird man dann kreativ und schaut wie man doch noch Stimmen für die Instrumente auftreiben kann. Da kann es schon mal sehr viele Emails und Telefonate im Vorfeld geben, bis die Noten dann zur Verfügung stehen! Aber bisher haben wir solche Herausforderungen immer lösen können. Am meisten gefürchtet ist bei mir immer die Situation, dass ein Musiker wegen Krankheit kurzfristig absagen muss. Da gab es auch schon mal am Hl.-Abend den Anruf »ich bin krank und kann morgen nicht singen«. Oder, 3 Tage vor Karfreitag den Tenor ersetzen. Das ist wirklich der Super-Gau!
Wie bist du damals denn zur Stiftsmusik gekommen?
Über den C-Kurs. Ich war ja damals in C-Kurs-Ausbildung – Orgelspielen war etwas, das ich vom Klavier her kommend mal gerne ausprobieren wollte. So entstand ein Kontakt zur Stiftsmusik und zu Kay Johannsen. Als mir ein Mitschüler und Kantorei-Sänger erzählte, dass im Bezirkskantorat – wie die Stiftsmusik damals noch hieß – Verstärkung gesucht wird für die Projektorganisation, bewarb ich mich und bin wenig später eingestiegen. Zunächst war ich eine Art freie Mitarbeiterin, dann von 2006 an fest angestellt. Und nun ist das schon 10 Jahre her! Aber die Arbeit macht immer noch genauso viel Spaß! Ich genieße sehr viele Freiheiten, kann beispielsweise einen großen Teil meiner Arbeit auch von Zuhause aus erledigen. In puncto Familienkompatibilität bleiben bei meiner Stelle wirklich keine Wünsche offen. Das weiß ich sehr zu schätzen. Und ich arbeite in einem wunderbaren Team, was sehr, sehr viel Spaß macht! Und auch bei den Musikern, mit denen ich zusammenarbeite, gibt es sehr, sehr viele, sehr nette Kontakte. Und nicht zuletzt beschäftige ich mich eben auch inhaltlich mit etwas, das mich interessiert und begeistert.
Das hört sich gut an! Was machst Du denn so, wenn Du nicht für die Stiftsmusik arbeitest?
Ich habe mit dem C-Kurs ja angefangen Orgel zu spielen und mache das immer noch sehr gerne. Wo man mich braucht, übernehme ich auch gerne Vertretungsdienste in Gottesdiensten. Musik ist also (neben der Stiftsmusik) auch ein großes Hobby von mir. Klavier spiele ich auch noch, etwa, wenn ich unsere Kinder begleite. Ansonsten mache ich gerne Sport und ich lese gerne. Und eigentlich ist auch Kochen etwas, das ich gerne mache, auch wenn es im Alltag unter Zeitdruck oftmals lästig ist. Sowieso verbringe ich sicherlich mit »Familienarbeit«, die allermeiste Zeit. Wahrscheinlich müsste ich das als erstes nennen…
Eine letzte Frage noch: Wenn Du Dir ein musikalisches Lieblingsprojekt wünschen würdest, welches wäre das und wieso?
Ein Mitmachprojekt explizit für Kinder und Jugendliche. Das wäre ein tolles Projekt, mit dem wir sicherlich den musikalischen Nachwuchs noch stärker ansprechen könnten. Das fände ich eine spannende Sache!
Corinna Reimold, Marketing
Corinna Reimold, zuständig für Marketing im Stiftsmusik-Team, 2012 im Gespräch mit Geschäftsführerin Gabriele Zerweck.
Liebe Corinna, du zeichnest seit einigen Jahren für das Marketing der Stiftsmusik verantwortlich. Wie schafft man es denn, überhaupt »aufzufallen« in der voll bepackten Kulturlandschaft Stuttgarts mit einem sicher relativ kleinen Werbebudget?
Es ist tatsächlich so, dass wir hier in Stuttgart in der wirklich luxuriösen Situation sind, ein sehr großes und vielfältiges kulturelles Angebot, gerade auch im Bereich Musik, zu haben. Umso schwieriger ist es natürlich, sich in einer solchen Vielfalt zu positionieren und aufzufallen. Ich denke, dass es, zumindest in unserem Bereich, am besten gelingt mit einer Mischung aus Kontinuität einerseits und einzelnen Highlights andererseits, wenn wir z.B. unsere Sonderkonzerte bewerben. Gleichzeitig ist es auch so, dass wir ja nicht nur auf unsere Veranstaltungen hinweisen, sondern auch einiges an Inhalten vermitteln wollen. Das bedeutet, dass es immer beides geben muss – den Blickfang, z.B. in Form von Plakaten, aber auch die Information z.B. in Form der Quartalshefte, in denen wir die Programme inhaltlich vorstellen.
Du beschäftigst Dich ja sicher auch viel mit dem Marketing anderer Institutionen oder Firmen – erinnerst Du Dich an eine Kampagne, die Dir besonders gut gefallen hat?
Um bei der Musik zu bleiben: Mir hat die Kampagne des Stuttgarter Kammerorchesters vor einigen Jahren sehr gut gefallen »Ich bin ein Schwabenstreicher«. Das fiel aus dem üblichen Rahmen heraus, hatte etwas Persönliches und gleichzeitig Frisches. Und die Kampagne war auch wirklich überall vertreten, man kam eine Zeit lang in Stuttgart gar nicht an ihr vorbei.
Du hast beruflich viel Erfahrung und auch schon für andere kulturelle Institutionen gearbeitet – ist es immer ähnlich, oder gibt es doch Unterschiede und wenn ja, welche?
Vieles ist natürlich immer ähnlich – wir nutzen ja mehr oder weniger alle dieselben Kanäle für unsere Werbung, auch wenn die Schwerpunkte anders gesetzt werden, z.B. je nach Zielgruppe. Wobei es in der heutigen Zeit auch nicht mehr so ist, dass sich z.B. ein älteres Publikum hauptsächlich auf herkömmlichem Weg informiert (Printwerbung), ganz im Gegenteil – gerade hier wird auch das digitale Angebot immer mehr genutzt. Man muss daher immer beides bedienen und dabei natürlich trotzdem das Zielpublikum im Blick behalten.
Du bist in Teilzeit bei der Stiftsmusik beschäftigt – was machst Du so in Deiner restlichen Zeit?
Im Moment genieße ich noch den Luxus, viel Zeit mit meinem kleinen Sohn zu verbringen. Meine Elternzeit geht aber demnächst zu Ende und ich nehme im Mai meine Haupttätigkeit als Geschäftsführerin der mh-stuttgart GmbH wieder auf, das ist ein Unternehmen der Musikhochschule, das sich z.B. um Weiterbildung im Bereich Musik und Darstellende Kunst oder die Vermittlung von Künstlern für Auftritte kümmert. In meiner Freizeit bin ich außerdem gerne mit dem Hund unterwegs und liebe auch lange Wanderungen, aber dazu komme ich leider viel zu selten.
Wenn finanzielle Ressourcen keine Rolle spielen würden – wie würde »Deine« Kampagne für die Stiftsmusik aussehen?
Ich glaube gar nicht, dass ich so viel anders machen würde. Ich glaube nicht unbedingt an »viel hilft viel«, wenn es um Werbung geht. Klar, manchmal würde ich gerne weniger punktuell, sondern etwas großflächiger werben oder z.B. mehr Imagewerbung machen. Aber ich glaube, dass wir mit unserem Budget auch so einen ganz guten Mix hinbekommen. Da die Werbung ja nicht Selbstzweck, sondern an unsere inhaltliche Arbeit geknüpft ist, schließe ich mich meiner Kollegin Dagmar Hahn an, dass es toll wäre, mal ein Projekt mit Kindern und Jugendlichen zu machen - das würde mir auch großen Spaß machen.
