Im Gespräch mit Sebastian Herrmann
Leiter des collegium vocale Stuttgart, Stipendiatenensemble der Stiftsmusik 2023-2025
Das collegium vocale Stuttgart hat sich erst 2022 gegründet. Wie profitiert Ihr als junges Ensemble von unserem Stiftsmusik-Stipendium?
Für uns ist das Stipendium eine wertvolle Anerkennung unserer bisherigen Arbeit und zugleich eine große Motivation. Die beiden Konzerte in der Stunde der Kirchenmusik bieten uns die ideale Gelegenheit, uns vor einem anspruchsvollen Publikum zu beweisen. Es ehrt uns sehr, in einer Reihe mit den renommierten Gästen dieser Konzertreihe zu stehen. Gleichzeitig hoffen wir, dass wir im chorverwöhnten Stuttgart neben den großen „Playern“ noch stärker wahrgenommen werden. Darüber hinaus stärkt das Stipendium unseren Zusammenhalt – ein entscheidender Faktor für den Erfolg eines Projektensembles. Neben wertvollen Auftrittsmöglichkeiten erhalten wir von Geschäftsführerin Marie Kaufmann Beratung zur organisatorischen und strategischen Weiterentwicklung unseres Ensembles.
Was würdet Ihr Euch darüber hinaus noch als Unterstützung wünschen?
Wie jedes freie Ensemble sind wir auf finanzielle Unterstützung angewiesen und freuen uns immer über Spenden, die unsere Arbeit ermöglichen. Seit Kurzem kann man dem collegium vocale Stuttgart e.V. auch als Fördermitglied beitreten und es liegen nach unserer Stunde entsprechende Beitrittsformulare aus.
Darüber hinaus würde ich gerne mit Herrn Johannsen in der nächsten Zeit mal einen Kaffee trinken gehen, was wir in Anbetracht unserer vollen Terminkalender und der Distanz zwischen Stuttgart und Dresden bisher noch nicht geschafft haben. :-)
Auf Eurer Website beschreibt Ihr Euch als Ensemble, das den Anspruch hat mit einer neugierigen Haltung und kreativen Konzepten Vokalmusik aller Art in verschiedenen Besetzungen in spannende Kontexte zu setzen. Können wir das auch in unserer Stunde erleben?
Ich denke, dass jede Programmauswahl eine gewisse Neugier voraussetzt – sei es für ein bestimmtes Thema oder ein verbindendes Element, das die Werke miteinander verknüpft. Besonders spannend ist dabei die Frage, wie die Stücke aufeinander wirken und in Beziehung treten. Vielleicht teile ich einfach ein paar Gedanken, die hinter unserem Programm stehen?
Arvo Pärt vertonte den Text „Selig sind die Toten“ in einer Fassung, die auf der estnischen Bibelübersetzung basiert. Dort wird das Wort „ruhen“ mit „hingama“ wiedergegeben, was im Estnischen auch „atmen“ bedeuten kann. Ein schöner Gedanke: Die schaffenden Toten ruhen – und doch „atmen“ sie weiter, sie leben fort. Heinrich Schütz vertont denselben Text aus dem Buch der Offenbarung in seiner Geistlichen Chormusik. Atmung ist ein stetiger Prozess, ein zyklisches Geschehen. In Beat Furrers Enigma I finden sich musikalische Figuren, die einem perpetuum mobile gleichen und das Gefühl eines unaufhörlichen Atems vermitteln. Furrer ist neben Frank Martin einer der (wenigen) bedeutenden Komponisten der Schweiz und passt somit gut zu Martin und seiner Messe für Doppelchor a cappella. Auch hier begegnen uns übrigens ostinate Strukturen, etwa im Benedictus oder im Agnus Dei. Martins Vertonung der Messliturgie stellen wir Mendelssohns sangliche Deutsche Liturgie zur Seite.
Ein weiteres Werk unseres Programms ist das Libera me der slowenischen Komponistin Nana Forte. Ihre beeindruckende Vertonung aus dem Jahr 2003 wandelt die anfänglich düstere Stimmung der katholischen Totenmesse am Ende in eine lichterfüllte, ewige Ruhe.
Unsere zweite Stunde im Jahr 2026 möchten wir gerne in einer anderen Formation gestalten. Geplant ist u.a. die Einstudierung von Helmut Lachenmanns Consolation I für zwölf Stimmen und vier Schlagwerker – ein Werk, das selten aufgeführt wird und für uns eine spannende Herausforderung ist.