Stiftsmusik Stuttgart

... mit Kensuke Ohira

Ab Oktober 2015 war Kensuke Ohira für ein Jahr musikalischer Assistent von Stiftskantor Kay Johannsen, danach blieb er ein weiteres halbes Jahr bis Mai 2017 bei der Stiftsmusikbeschäftigt.Es folgte ein Jahr als stellvertretender Kantor zur evangelischen Kirchengemeinde Stuttgart-Botnang (in Mutterschaftsvertretung), bis er im Mai 2018 ins Team der Stiftsmusikzurückkehrte – nun als zweiter Stiftsorganist. Ein Gespräch über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

2015/16 warst Du Assistent von Stiftskantor Kay Johannsen, inzwischen bist Du zweiter Stiftsorganist. Was ist jetzt anders als früher?

Alles ist anders! Als Assistent hatte ich tausend verschiedene Aufgaben zu erledigen und unterstützte Kay Johannsen und meinen Vorgänger Felix Mende beim Orgelspiel, so gut ich konnte. Ich half aber auch Geschäftsführerin Gabi Zerweck und Projektleiterin Dagmar Hahn bei vielen organisatorischen Aufgaben. Wo immer es etwas zu tun gab, wurde ich eingesetzt. Offiziell heißt dieses Jahr, das ja fest zur Ausbildung jedes Kirchenmusikers gehört, Praktikum! Nur hier bei der Stiftsmusiknennt man es Assistenz, was der Sache etwas mehr Gewicht verleiht. Und tatsächlich haben die Assistenten hier auch sehr viele Möglichkeiten, sich als Kirchenmusiker auszuprobieren und die ganzen organisatorischen Abläufe kennenzulernen: ein Luxus!

Jetzt, als zweiter Stiftsorganist, habe ich ein klar umrissenes Aufgabengebiet, für das ich auch selbst Verantwortung trage: Ich spiele täglich (außer montags) die Mittagsgebete und nachmittäglichen Kurzgottesdienste in der Stiftskirche; hinzu kommen große Gottesdienste am Wochenende – und natürlich die vielen Taufen und Hochzeiten in der Schlosskirche, vor allem jetzt, im Sommer! Das Orgelspiel im Gottesdienst ist also ganz zentral, mit allem was dazugehört: inklusive aller Planungen und Absprachen mit den Pfarrern, Mesnern und Familien – und natürlich mit Kay Johannsen.

Du selbst heiratest am 25. August in der Schlosskirche. Wer spielt denn da Orgel?

Felix, mein Vorgänger! Ich freue mich sehr, dass er extra aus Bremen kommt, um für uns Orgel zu spielen ...  und natürlich mit uns zu feiern!

Seit Du 2016 den Orgelwettbewerb der Internationalen Orgelwoche Nürnberg – Musica Sacra (ION) gewonnen hast, bist Du ein gefragter Konzertorganist mit Auftritten in ganz Europa und Japan. Wie lässt sich das mit Deinem straffen Terminkalender als zweiter Stiftorganist vereinbaren?

Das ist tatsächlich nicht so ganz einfach! Einerseits ist es wunderschön, dass ich so viele tolle Konzerteinladungen bekomme! Ich durfte dieses Jahr schon an vielen Orten in Deutschland spielen, aber auch in Frankreich, in London, in Wien ... und in den nächsten Wochen gebe ich Konzerte im Konstanzer Münster, im Hamburger »Michel«, in Frankfurt an der Oder, Münster und Ansbach. Andererseits ist es aber natürlich auch eine Herausforderung, das zeitlich unter einen Hut zu bringen mit meiner Arbeit. Ein Orgelkonzert verlangt ja auch immer mehr Vorbereitung als einfach nur hinzufahren und zu spielen: Es gilt zuallerst die Orgel kennenzulernen, aber auch den Kirchenraum und seine Akustik, am besten sogar die Landschaft drumherum und die Menschen, das Essen, die Mentalität, ... All das hat – zusätzlich zum Notentext – Einfluss auf meine Gestaltung der Musik, also darauf, wie ich die Orgel registriere, welche Klangfarben ich für meine Stücke wähle. Aber das kostet natürlich viel Zeit vor Ort, und das muss ich irgendwie mit meinen Diensten koordinieren.

Andererseits denke ich: Wann, wenn nicht jetzt? Jetzt habe ich die Chance, als Konzertorganist Erfahrung zu sammeln und viele verschiedene Orgeln kennenzulernen! Und ich habe die Kraft, diese Chance zu nutzen ... auch wenn gerade alle Lebensbereiche – Beruf und Familie – auf Hochtouren laufen! Jedenfalls liebe ich meine Arbeit als Kirchenmusiker, das ist genau das, was ich machen möchte! Darüber hinaus genieße ich es, Konzerte spielen zu können! Und glücklicherweise haben wir hier derzeit noch unsere musikalische Assistentin Marie Sophie Goltz, die ja auch viele Gottesdienste spielt – und es gibt es in Stuttgart jede Menge guter Organisten, die wir fragen können, wenn alle Stricke reißen und wir doch mal eine Vertretung brauchen ...

Wann kommst Du bei all diesen Verpflichtungen noch zum Üben? Sowohl die Gottesdienste als auch die Konzerte erfordern ja musikalische Vorbereitung – und zwar von unterschiedlichstem Repertoire!

Ich übe meistens und am liebsten nachts ab 21 oder 22 Uhr, das ist sehr schön! Da ist die Stiftskirche leer, ich störe ich niemanden – und niemand stört mich. Und wenn es in der Stiftskirche nicht geht, kann ich auf die Schlosskirche ausweichen. Zum Glück dürfen wir Organisten auch außerhalb der offiziellen Öffnungszeiten in beiden Kirchen sein. In Japan, wo ich herkomme, ist das nirgendwo erlaubt. Und da Kay Johannsen immer morgens übt, kann ich am späten Abend an die Orgel. Dafür genieße ich dann den Morgen in aller Ruhe, frühstücke gemütlich und erledige ein paar Dinge, ehe ich zum Dienst fahre und die Mittagsandacht spiele. 

Wie ist die Zusammenarbeit mit Kay Johannsen?

Cool, wirklich cool, ich kann es nicht anders sagen! Mit Kay Johannsen zu arbeiten ist cool! Er ist nahezu perfekt ... aber eben nicht nur das: Bei allem Perfektionismus und bei aller Ernsthaftigkeit hat er so viel Liebe für seine Arbeit  – und auch für uns alle, die wir mit ihm arbeiten. Für mich ist er immer noch eine Art Mentor. Ich bin sehr glücklich, dass er mich kennt, fördert und fordert. So freue ich mich zum Beispiel riesig darüber, dass er mich gefragt hat, bei seiner nächsten CD-Aufnahme für Carus, Rejoice, mitzuspielen, eingespielt werden Chorstücke mit Orgel. Das empfinde ich als große Anerkennung und Auszeichnung! Es gibt so viele gute Organisten – und trotzdem hat er sich für mich entschieden. Und noch etwas: Überall, wo ich hinkomme, spüre ich, wie sehr man die Stiftsmusikund Kay Johannsen schätzt! Da hat man eine ganz starke Institution im Rücken – und das ist schon ein gutes Gefühl!

Danke, lieber Ken, für das Gespräch! Und weiterhin viel Erfolg für Dich – als Organist, Kirchenmusiker und Familienmensch!