Stiftsmusik Stuttgart

... mit Gabriele Zerweck

Gabriele Zerweck, Geschäftsführerin der Stiftsmusik, im Gespräch mit Ulrike Albrecht

Gabi, wir haben uns 1995 bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen kennengelernt. Du warst damals noch nicht mal ganz fertig mit Deinem Studium, aber schon Pressesprecherin und ab 1996 Leiterin des Künstlerischen Betriebsbüros bei einem der größten Festivals in Deutschland. Was für ein Karriere-Start! Wie schafft man das?

Glück gehört dazu ... aber natürlich auch eine Riesenportion an Energie, Elan und Engagement. Eine 60-bis-80-Stundenwoche war damals völlig normal. Ich hatte ja schon vorher, im Studium, als Volontärin bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen gearbeitet. Und dass ich dann als Berufsanfängerin die Chance bekommen habe, gleich voll bei diesem super Festival einzusteigen, war für mich der Traum: Besser hätte es gar nicht kommen können!

Du hast Amerikanistik, Politik und Rhetorik in Tübingen studiert. Was hattest Du als Berufsziel vor Augen? Wahrscheinlich nicht Kulturmanagement, oder?

Nein, ich wollte ursprünglich in die journalistische Richtung, habe aber recht schnell gemerkt, dass mir das gar nicht liegt ... Eher durch Zufall bin ich dann beim Kulturmanagement gelandet, durch ein Praktikum im Kulturamt der Stadt Ludwigsburg. Da kam ich – auch während meines Studiums – zum ersten Mal mit der Organisation von Veranstaltungen in Berührung. Und das war genau mein Ding! Zur Musik hatte ich sowieso von Kindesbeinen an einen guten Draht. Meine Eltern haben mich total viel mit ins Konzert, ins Ballett und in die Oper genommen, zudem habe ich selber Geige gespielt.

Von den Ludwigsburger Schlossfestspielen führte Dich Dein Weg dann über das Staatstheater Karlsruhe, das Festspielhaus in Baden-Baden und die Philharmonie in Essen vor sechs Jahren zurück ins Schwabenland und als Geschäftsführerin zur Stiftsmusik Stuttgart. Was hat Dich an dieser Aufgabe gereizt?

Ich war gerade aus privaten Gründen von Essen nach Stuttgart gezogen und auf der Suche nach einer passenden Stelle. So bin ich auf die Ausschreibung der Stiftsmusik gestoßen – ohne genau zu wissen, was alles hinter der Stiftsmusik steckt! Gereizt hat mich daher zunächst allein die Tatsache, dass es dabei um Musik geht und dass die Position einer Geschäftsführerin sicher Gestaltungsmöglichkeiten bietet. Als ich dann zum ersten Bewerbungsgespräch kam, war ich total überrascht, wie professionell es zuging. Irgendwie hatte ich befürchtet, dass es bei der »Kirche« altmodisch und verstaubt zugeht. Aber weit gefehlt!

Bei der Stiftsmusik geht es fast ausschließlich um geistliche Vokalmusik – der Schwerpunkt liegt also völlig anders als bei Deinen bisherigen Jobs. Wie gefällt Dir das?

Nun ja  ... (lacht) ... es ist schon so, dass mein Herz immer schon für das sinfonische Repertoire und insbesondere für die Kammermusik schlug – und nach wie vor schlägt. Aber dann habe ich festgestellt, dass es auch auf dem Gebiet der geistlichen Musik, mit dem ich mich nie vorher näher auseinandergesetzt habe, richtig gute und spannende Sachen gibt. Kurzum: Je länger ich hier arbeite und je mehr Konzerte ich höre, desto mehr freunde ich mich auch mit den Inhalten an. Zumal die Musiker, die wir hier haben, ja auch fantastisch sind: Das Niveau ist schon sehr hoch – und das gefällt mir! Immerhin ist die Stiftsmusik Stuttgart eine der ersten Adressen für Kirchenmusik in Deutschland.

An die 100 Veranstaltungen macht die Stiftsmusik im Jahr, das ist eine ganze Menge! Allein rund 50 »Stunden der Kirchenmusik« stehen auf dem Kalender, hinzu kommen Sonderkonzerte, Orgelführungen, die Orgelmusik zum Weihnachtsmarkt ... Da hängt eine Menge dran: Planung, Werbung, Organisation. Wie schafft man das im doch recht kleinen Team der Stiftsmusik?

Stimmt, wir machen viel ... aber das kommt mir entgegen! Das war bei meinen vorherigen Jobs nicht anders (lacht). Und wir schaffen das, weil wir zwar ein kleines, aber ein ganz tolles Team sind. Und weil wir ganz klare Strukturen haben. Kay Johannsen arbeitet – anders als es das Klischee vom chaotischen Musiker will – unglaublich vorausschauend, klug und effizient. Das gefiel mir von Anfang an. Hinzu kommt, dass wir sehr viele Ehrenamtliche haben, die uns bei der Arbeit unterstützen – das habe ich so auch noch nirgends erlebt!

Apropos Kay Johannsen: Er ist als Stiftskantor künstlerischer Leiter, Du bist Geschäftsführerin – eine Konstellation, die in vielen Kulturinstitutionen für Zündstoff sorgt. Wie ist das bei Euch?

Zündstoff ja, aber nur im positiven Sinn! Und zwar insofern, als wir uns viel auseinandersetzen. Wir telefonieren täglich mindestens eine halbe Stunde über alles, was ansteht, tagesaktuell und mit Blick auf die Zukunft, hinzu kommen etliche E-Mails. Natürlich sind wir nicht immer einer Meinung, das wäre ja auch langweilig. Aber am Ende finden wir immer eine gemeinsame Lösung, die der Sache dient und die Stiftsmusik voranbringt. Und da wir uns beide nicht auf dem Erreichtem ausruhen, sondern immer weiter entwickeln wollen, habe ich das Gefühl, werden wir auch immer (noch) besser! (lacht)

Was konntest Du bei der Stiftsmusik bewegen in den letzten Jahren? Und was möchtest Du noch bewegen?

Da ich ja vor knapp fünf Jahren mit vielen Jahren Erfahrung aus großen Institutionen mit internationaler Reichweite zur Stiftsmusik kam, konnte ich schon noch manche Dinge weiter professionalisieren, denke ich. Aber wie gesagt: Schon als ich begonnen habe, war alles sehr gut organisiert, da ging es allenfalls um einen gewissen Feinschliff. Was mir mit am meisten Spaß macht, ist ja die Programmplanung, also gemeinsam mit Kay Johannsen zu überlegen, wen man einlädt. Dazu gehört es, neue Chöre zu recherchieren, sich auf dem Laufenden zu halten, welcher Chor gerade welchen Wettbewerb gewonnen hat und so weiter ... und dann natürlich zu schauen, wie man sie herkriegt, mit den begrenzten finanziellen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen. Und da würde ich doch noch gerne mehr wagen: mehr außergewöhnliche Projekte realisieren – oder auch einfach mal nach den Sternen greifen, wie neulich! Da habe ich den Bayerischen Rundfunkchor angeschrieben, ob er nicht mal zu uns kommen würde ... Immerhin zählt er zu den besten deutschen Rundfunkchören. Mal sehen, ob was draus wird, die erste Reaktion jedenfalls war positiv. Unsere Reihe »Stunde der Kirchenmusik« hat in der Szene längst einen guten Namen, und das macht die Arbeit natürlich leichter ... Ach so, und einen Stiftsmusik-Bus hätte ich gerne (Anmerkung der Redaktion: also einen öffentlichen Bus im Stiftsmusik-Design)!

Mir fällt auf: Du bist eigentlich immer per Mail oder Handy erreichbar – selbst an den Wochenenden und sogar im Urlaub! Wann schaltest Du eigentlich mal ab?

Ach, das geht bei mir eigentlich ganz schnell! In dem Moment, in dem ich nachhause komme und meinen Sohn oder meinen Mann sehe, bin ich schon in der Zuhause-Welt. Und mich stört es dann auch nicht, wenn ich zwischendurch mal eine E-Mail beantworte – zumal wir in der Regel so gut organisiert sind, dass keine Katastrophen lauern. Als Verfechterin flexibler Arbeitszeiten schätze ich es total, keinen 9-to-5-Job zu haben, sondern auf Vertrauenszeit zu arbeiten und mir im Gegenzug für eine quasi ständige Erreichbarkeit, meine Zeit freier einteilen und auch entscheiden zu können, wann ich was von wo aus mache. Das empfinde ich als absoluten Luxus!

Und wenn Du dann doch mal abschaltest: Wie verbringst Du Deine Freizeit am liebsten?

Zuhause! Oder auf Reisen – irgendwo in der Welt.

 

Vielen Dank, liebe Gabi, für das Gespräch!