Stiftsmusik Stuttgart

... mit Elsie Pfitzer

Elsie Pfitzer, Programmheftredakteurin und langjährige Stiftsorganistin (bis 2015) im Gespräch mit Ulrike Albrecht

Elsie Pfitzer ist die Dienstälteste im Team der Stiftsmusik. Seit 1978 ist sie schon dabei – als Musikerin und Programmheftredakteurin. Nach siebenund­dreißig­­einhalb Jahren hat sie sich im Juni 2015 mit einem »Stunde«-Konzert aus ihrem Amt als Stiftsorganistin verabschiedet. Als Redakteurin blieb und bleibt sie uns weiterhin er­halten, und das ist gut so! Denn niemand von uns liest genauer, keiner übersieht weniger Fehler als sie. Und kein anderer verfügt über ein derart profundes musikwissenschaftliches, literarisches und sprachliches Wissen! Wie das kommt? Elsie Pfitzer hat die Talente, die ihr in die Wiege gelegt wurden, zeitlebens gepflegt, mit Fleiß und Leidenschaft. Ein Gespräch über mehr als ein halbes Leben mit der Stiftsmusik.

Elsie, Du bist Kirchenmusikerin mit Leib und Seele – und musizierst seit Kinder­tagen: Klavierunterricht ab acht, Orgel­unter­richt ab 16. Trotzdem hast Du Dich nach dem Abitur zunächst nicht für ein Musikstudium ent­schieden, sondern für Geschichte und Anglistik auf Lehramt. Warum?

Nach dem Abitur bin ich zu einer Berufsberatung gegangen, und dort riet man mir, Jura zu studieren. Aber das wollte ich nicht. Theologie wäre auch eine Möglichkeit gewesen, aber damit hatten Frauen da­mals noch keine vernünftige berufliche Perspektive. Neben der Musik hatte ich auch immer schon ein Faible für alte Sprachen, ja Sprachen generell. An Geschichte war ich auch schon immer interessiert, und so ist es dann die Kombination aus Geschichte und Englisch geworden.

Und wie hast Du dann doch noch die Kurve zur Musik gekriegt?

Tja, zuletzt hat eben doch das Herz über den Kopf gesiegt und ich habe ein zweites Studium hier an der Stuttgarter Musikhochschule begonnen: Kirchenmusik. Zuerst hatte ich vor, danach noch das Referendariat zu machen, um mein Staatsexamen nicht verfallen zu las­sen. Aber dann bekam ich gleich die Stelle als Assistentin des Stifts­kantors angeboten – und da konnte ich natürlich nicht Nein sagen!

Obwohl Du die Weichen damit endgültig in Richtung Musik gestellt hast, warst Du auch weiterhin gerne wissenschaftlich tätig, jetzt auf musikhistorischem Gebiet. Bis zur Fusion von SDR und SWF (1998) warst Du 15 Jahre lang freie Mitarbeiterin in der Redaktion »Geistliche Musik/Chor­musik« beim SDR2, und danach Schriftleiterin der »Württembergischen Blätter für Kir­chen­musik«. Du hast zahl­reiche Booklet-Texte für Orgel-CDs geschrie­ben – und für die Stifts­musik rund 50 Programmhefte pro Jahr.

Ja, das stimmt: Ich habe die theoretische Auseinandersetzung mit der Musik immer gesucht, mich haben immer die Hintergründe und Begleit­umstände der Werke interessiert, ihre musikhistorische Stellung, ihre Mach­­­­­art – einfach alles, was zum besseren Verständnis und damit auch zum größeren Genuss der Musik beiträgt. Was ich selbst darüber herausgefunden habe, habe ich dann auch immer gerne mit anderen Menschen geteilt, den Ra­dio­­hörern oder eben Programmheft­lesern. Diese Arbeit war und ist eine große Berei­che­rung für mich, auch als Musikerin.

Nach rund vierzig Jahren dürftest Du die »Stunde der Kirchen­musik« so gut kennen wie kaum ein anderer: Was hat sich ver­ändert in den knapp vier Jahrzehnten? Wie hat sich die Reihe ent­wickelt?

Ein Vorläufer der »Stunde « wurde ja bereits 1939 vom spä­te­ren Stiftskantor August Langenbeck gegründet und hieß damals noch »Stutt­garter Motetten«. Im Zentrum dieser kirchenmusikalisch-liturgischen Wochen­schluss­­­feier stand das gemeinsame Lied, drum herum gruppierten sich Orgel­werke, Gesang, Lesungen, Gebete und Segen. So wurde die »Stunde« auch nach dem Krieg  weitergeführt, und so sah sie auch noch aus, als ich 1978 zur Stiftsmusik kam. Unter der neuen Leitung von Manfred Schreier veränderte sich bald auch die »Stunde«: Zunächst verzich­tete man auf das ge­meinsame Lied, ab 1983 schließlich auf alle litur­gischen Be­stand­­teile. Der Weg ging weg vom Gottesdienst, hin zum rei­nen Konzert. Dadurch ist man seither natürlich viel freier in der Pro­grammaus­wahl, auch wenn sich die Reihe nach wie vor am Kirchenjahr orien­tiert – grob zumindest.

Als Stiftsorganistin hast Du ja vor allem die Gottesdienste in der Stiftskirche und in der Schlosskirche musikalisch gestaltet.

Und das mit großer Freude! Weißt Du: Die Stifts­kirchengemeinde ist ja eine große Ge­meinde – und entgegen dem Trend kommen zu den Gottesdiensten immer sehr viele Besucher. Da macht das Orgelspielen natürlich Spaß, wenn die Kirche voll ist und Menschen da sind, die auch mitsin­gen!

Vor gut anderthalb Jahren bist Du dann in den sogenannten Ruhestand gegangen, wobei das gern bemühte Bonmot vom »Unruhestand« die Sache bei Dir deutlich besser trifft. Du bist ja nach wie vor unglaublich aktiv – nicht nur, aber auch für die Stiftsmusik!

Für mich ist es schön, dass mit meiner Pensionierung im Juni 2015 nicht alles auf einmal abrupt endete und dass ich dem netten Team der Stiftsmusik weiterhin verbunden bleiben kann. Neben den Programmheften begleite ich hier auch noch hin und wieder Gottesdienste an der Orgel, vor allem Trauungen in der Schlosskirche. Ansonsten bin ich immer noch als Organistin in der Evangelischen Kirchengemeinde Stuttgart-Vaihingen tätig, lese für den Carus-Verlag Korrektur, pflege – wenn Zeit bleibt – meine Hobbys wie Lesen, Bergwandern, Aquarellmalen, Töpfern, immer noch Latein ... Aber vor allem bin ich glückliche und stolze Großmutter von mittlerweile zwei Enkelkindern!