Stiftsmusik Stuttgart

... mit Dozent Kay Johannsen

Stiftskantor Kay Johannsen im Gespräch über seine Orgeldozentur am Vierwaldstätter See

Die Pädagogik war Stiftskantor Kay Johannsen immer schon ein Anliegen, und vor allem zu Beginn seiner Laufbahn nahm das Unterrichten viel Raum ein: Von 1991 bis 2000 war er Lehrbeauftragter für Orgel-Literaturspiel an der Musikhochschule Karlsruhe. Zudem übernahm er in dieser Zeit eine Professur-Vertretung an der Freiburger Musikhochschule und später, 2014/15, für zwei Semester an der Hochschule Luzern – Musik. Darüber hinaus gab und gibt er Meisterkurse in Peking, Seoul, Kiew, Plovdiv, Havanna, Mexico City, Udine, Hannover, Rottenburg und Bad Homburg – und nach Pfingsten auch an der Musikhochschule Mainz. 2020 wurde Kay Johannsen auf eine Dozentur für Orgel nach Luzern berufen und baut dort seit dem Frühlingssemester 2021 eine Orgelklasse auf. Ulrike Albrecht sprach mit dem Stiftskantor über das Unterrichten, die Zugfahrten nach Luzern und die reizvolle Umgebung am Vierwaldstätter Sees.

Was reizt Dich am Unterrichten, an der Arbeit mit den Studierenden?

Als Erstes fällt mir ein: die Entwicklung von jungen Leuten begleiten zu können. Es ist spannend, für die so verschiedenen Studierenden die jeweils passenden Rezepte zu finden, um sie auf ihrem Weg zu unterstützen. Irgendwelche Hürden gibt es immer zu überwinden, und manchmal helfen mir dabei meine eigenen Erfahrungen von früher oder auch von heute, manchmal aber auch nicht. Dann muss ich herausfinden, was weiterhelfen könnte, um Lösungen für technische oder musikalische Probleme zu finden. 

Wie bist Du ausgerechnet in die Schweiz und nach Luzern gekommen?

Eigentlich habe ich nach fast zehn Jahren als Lehrbeauftragter an der Musikhochschule Karlsruhe bewusst so gut wie gar nicht unterrichtet, denn neben der mehr als ausfüllenden Stelle als Stiftskantor habe ich nicht wenige Konzerte gespielt und immer mehr auch komponiert. Auch der große Zyklus Bach:vokal spielte eine Rolle, denn dafür brauchte ich viel Energie. Unterrichtet habe ich über viele Jahre fast nur bei Kursen, die sich zum Beispiel im Zusammenhang mit Reisen für Goethe-Institute im Ausland ergaben. Eine Ausnahme war die Dozentur-Vertretung in Luzern 2014/15, für die ich angefragt wurde. Das Jahr habe ich als so inspirierend erlebt, dass ich mich einfach beworben habe, als 2020 an der Luzerner Hochschule eine Teilzeitdozentur ausgeschrieben wurde. Ich war übrigens der älteste Bewerber (lacht).

Wieviele Student:innen unterrichtest Du derzeit in Luzern? 

Das schwankt jedes Semester. Ich kann im Prinzip nur einen Tag pro Woche in Luzern sein, sonst wird es mir zu viel. Im letzten Semester waren es dennoch 13 Studierende, darunter allerdings einige mit kürzeren Unterrichtseinheiten. In diesem Semester sind es zehn – das ist eine gute Klassengröße. Ab dem Herbst werden es dann eher weniger sein, dafür aber mehr Studierende in höheren Studiengängen mit längeren Einheiten.

Was vor allem möchtest Du Deinen Studierenden vermitteln und mit auf ihren Weg geben?

Das ist kaum in einem Satz zu fassen. Natürlich wünsche ich mir, dass ich sie darin unterstützen kann, selbständige Musikerinnen und Musiker zu werden. Das ist gar nicht so leicht, denn man braucht viel Erfahrung, um Werke selbständig einzustudieren, die besten Fingersätze zu finden, den jeweiligen Stil angemessen darzustellen, eine Klangvorstellung zu entwickeln und damit eine gute Registrierung auf dem gerade zur Verfügung stehenden Instrument zu wählen. Im Hintergrund steht dabei auch mein Ziel, die Orgel als dynamisches Instrument erlebbar zu machen; das ist durchaus eine Herausforderung, da der Orgelklang an sich ja statisch ist.

Wie oft bist Du vor Ort am schönen Vierwaldstätter See?

Die Semester dauern jeweils 16 Wochen, und in der Regel fahre ich einmal pro Woche hin, manchmal auch an zwei Tagen, wenn wir in Stuttgart ein großes Projekt haben und ich Stunden vor- oder nachholen möchte. Vor allem im Sommer gibt es eine lange Pause von gut zwei Monaten, im Winter sind es vier Wochen.

Wie lange fährst Du?

Die Zugfahrt dauert ziemlich genau vier Stunden - und zwar egal, ob ich über Zürich oder Basel fahre. Meistens fahre ich am Sonntagabend hin und komme am Montagabend zurück. Mit der Zeit bekommt man einen Riecher dafür, zu welchen Zeiten und auf welcher Strecke Verspätungen zu erwarten sind – wobei ich immer aufatme, wenn ich über die Schweizer Grenze gekommen bin, denn in der Schweiz flutscht es reibungslos!

Luzern ist eine attraktive Stadt – und die Lage am Vierwaldstätter See natürlich ein Traum! Hast Du manchmal Zeit und Muße, die reizvolle Umgebung zu genießen?

Das eine oder andere von der Umgebung haben meine Frau und ich im letzten Herbst erlebt, da habe ich den Unterricht mit ein wenig Urlaub verbinden können. Vor allem bin ich damals aber auch den Luzerner Halbmarathon mitgelaufen – eine Strecke, die von der sagenhaften Landschaft her schwerlich zu toppen ist. In der Regel sehe ich von Luzern nur sehr wenig, aber das wenige reicht schon, um mein Herz höher schlagen zu lassen. Die Hochschule liegt übrigens beinahe am Fuß des Pilatus, und natürlich schaue ich immer gerne den schneebedeckten Gipfel an, bevor ich zur Orgel gehe.

Apropos Zeit und Muße: Wie kriegst Du das unter einen Hut, gleichzeitig Stiftskantor in Stuttgart und Orgeldozent in Luzern zu sein?

Früh aufstehen … Gott sei Dank fällt mir das nicht so schwer, so dass ich sowohl in Stuttgart gegen acht Uhr morgens mit dem Üben in der Stiftskirche anfangen kann und in Luzern mit dem Unterrichten. Aber zu beiden Stellen gehört nicht nur die Musik, sondern auch Organisation. In Stuttgart hilft mir mein tolles Stiftsmusik-Team enorm, und wenn ich etwas vergesse, werde ich freundlich daran erinnert, dass ich diesen Plan oder jene Konzeption noch liefern muss. „Muss“ ist für mein Dasein als Stiftskantor eigentlich eine ganz unpassende Vokabel, denn ich darf ja lauter Dinge tun, die mir Spaß machen, mich erfüllen und zugleich vielen Zuhörerinnen, Zuhörern, Musikerinnen und Musikern etwas bedeuten. Das relativiert die beträchtliche Menge an Arbeit sehr. Schließlich befruchten sich beide Stellen auch: Durchs Unterrichten lerne ich selbst auch immer etwas, und meine Erfahrungen als Kirchenmusiker, als Interpret an der Orgel und am Dirigentenpult sind für meine Studierenden hoffentlich auch nicht unwichtig. Solange ich zwischendurch noch etwas Zeit zum Laufen finde, bin ich zufrieden!

Vielen Dank, lieber Kay, für den kleinen Einblick in Dein „Doppelleben“ als Stiftskantor und Orgeldozent und Deine Reisen zwischen Schwabenland und Schweiz.

 

Ein ausführliches Interview des Katholischen Kirchenmusikverbands im Kanton Luzern mit Kay Johannsen lesen Sie hier.

Zur Webseite der Hochschule Luzern geht es hier.