Stiftsmusik Stuttgart

Zum Abschied von Felix Mende

Ein Gespräch

Zum ersten Mal kam Felix Mende 2012 als Assistent von Stiftskantor Kay Johannsen zur Stiftsmusik. Zur Freude aller kehrte er 2015 als zweiter Stiftsorganist zurück. Jetzt heißt es wieder Abschied nehmen, denn im Frühling bricht Felix Mende zu neuen Ufern auf: Er wird Kantor an der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde St. Martini zu Bremen-Lesum. Wir gratulieren ihm herzlich zur Stelle im hohen Norden, auch wenn uns der Abschied schwerfällt. Ein Gespräch über schöne Stuttgarter Zeiten, sein Abschiedskonzert und neue Herausforderungen.

Time to say Goodbye, lieber Felix! Wie ist Dir zumute?

Das ist echt schwer zu sagen! Einerseits freue ich mich natürlich auf die neue Stelle und die neuen Aufgaben, aber andererseits gefällt es mir hier so gut, dass es echt schwerfällt, Abschied zu nehmen – allein schon vom Team! Ich kann mir kein besseres vorstellen – und ob sich so etwas noch mal irgendwo findet? Ich bin gespannt ... Aber auch sonst gibt man ja viel auf hier: Die Stiftskirche ist schön, die Orgel ist toll, die großen Gottesdienste, die hier regelmäßig zu gestalten sind – das findet man selten!

Für alle, die es nicht wissen: Was gehört denn alles zu den Aufgaben des zweiten Stiftsorganisten?

Vor allen Dingen natürlich das Orgelspiel: Von Montag bis Samstag spiele ich täglich um 12:15 Uhr das Mittagsgebet, und von Montag bis Donnerstag jeweils um 17:15 auch den Kurzgottesdienst. Insgesamt sitze ich also in der Woche so zwischen 10 und 15 Mal an der Orgel, das richtet sich auch danach, wie viele Hochzeiten in der Schlosskirche stattfinden, manchmal sind drei an einem Tag! Wenn dann noch das Wochenende dazukommt – die Wochenenden „dritteln“ sich Stiftskantor, zweiter Organist und Assistentin –, dann kommt schon einiges zusammen! Mein Rekord waren, wenn ich mich recht erinnere, 16 Orgeldienste in einer Woche. Zu den weiteren Aufgaben zählt mit 10 Prozent der Stelle das Unterrichten im sogenannten C-Kurs, das ist die Ausbildung zum nebenberuflichen Kirchenmusiker. Immer mittwochs gebe ich in der Sakristei der Schlosskirche einen Musiktheorie- und Gehörbildungskurs, und ich unterrichte auch mehrere Orgelschüler/innen. Außerdem gibt es natürlich organisatorisch bei der Stiftsmusik einiges zu tun und zu koordinieren, für mich vor allem in der gottesdienstlichen Musik – immer natürlich in engster Absprache mit Kay Johannsen: Welche Gastchöre kommen? Was singen und wann proben sie? Um all diese Dinge kümmere ich mich.

Die Organistenstelle hier war Deine erste Stelle – direkt aus dem Studium rein ins Berufsleben. Jetzt kommt die nächste Station: eine eigene Kantorenstelle. Was erwartet Dich in St. Martini zu Bremen-Lesum? Und fühlst Du Dich gut gerüstet für die neuen Herausforderungen?

In Bremen ist die Situation für Kirchenmusiker ganz anders als hier. Die Bremische Landeskirche ist vergleichsweise klein, zu ihr zählen nur die Stadt Bremen und Bremerhaven, das ist von der Fläche her nicht mehr als manches Dekanat in Baden-Württemberg. Deshalb gibt es auch gar nicht viele Kantoren, es gibt ganze vier A-Stellen, wovon ich eine innehaben werde – das freut mich natürlich! Trotzdem ist im kirchenmusikalischen Leben in Bremen sehr viel los, und Bremen-Lesum ist die zweitgrößte Gemeinde der Landeskirche mit fast 10.000 Gemeindemitgliedern, insofern also deutlich größer als die Stiftskirchengemeinde. Trotzdem ist St. Martini vom Gebäude her eine kleine Kirche, und sie ist auch nicht der Dom in der Innenstadt, der ja die Hauptkirche ist und vielleicht am ehesten vergleichbar mit der Stiftskirche, sprich: Alles, was in St. Martini stattfindet, ist mehr oder weniger Gemeindearbeit – von der Gemeinde für die Gemeinde. Dadurch ergeben sich musikalisch ganz andere Möglichkeiten.

Die Musik hat in dieser Gemeinde einen sehr hohen Stellenwert. Mein Vorgänger hat extrem gute Arbeit geleistet und überlässt mir ein bestens bestelltes Feld: Es gibt nicht nur einen großen und sehr guten Chor mit 80 Leuten, wir sind auch finanziell ganz gut ausgestattet. Ich kann da richtig große Sachen machen – und bin schon dabei! Gerade plane ich das Brahms-Requiem, das wird meine erste Tat sein, das ist schon etwas ganz Großes! Wenn man direkt aus dem Studium kommt, ist so etwas eigentlich eine Nummer zu groß – und ohne hier in der Stiftsmusik vorher viel gelernt zu haben, hätte ich mir das auch nie zugetraut!

Schon bei der Bewerbung hat mir mein Stiftsmusik-Hintergrund enorm weitergeholfen. Das Bewerbungsverfahren dauerte immerhin ein ganzes Wochenende und umfasste einen ganzen Aufgabenkatalog mit Gottesdienst, Orgelkonzert, einer Chorprobe, Gemeindesingen und einem öffentlichen Gespräch, bei dem ich mich den Fragen der Gemeinde stellen durfte.

Ohne meine gesammelten Erfahrungen bei der Stiftsmusik wäre ich vermutlich an diesem einen Wochenende um Jahre gealtert (lacht!), aber durch die vielfältige, umfassende und in jeglicher Hinsicht anspruchsvolle Arbeit hier bekommt man generell eine gewisse Souveränität und Professionalität, die ungemein hilft in solchen Situationen. Insgesamt fühle ich mich also gut vorbereitet – auch für Aufgaben wie Chorleitung und Dirigieren, die hier nicht Teil meiner Stelle waren. Allein durch die Assistenz damals und jetzt auch das Mitwirken als Organist in vielen Konzerten unter Kay Johannsens Leitung habe ich so viel gelernt, dass mich auch das nicht schreckt.

Was waren die Highlights Deiner Stuttgarter Zeit?

Eigentlich war die ganze Zeit ein einziges Highlight, aber die absoluten Höhepunkte waren natürlich die »Stunde«-Konzerte, die ich selbst spielen und gestalten durfte. Oder in denen ich an der Orgel mitwirkte wie beispielsweise in der Uraufführung von Kay Johannsens »Credo«. Es ist schon immer ein ganz besonderer Nervenkitzel, in der »Stunde« zu spielen, denn da kommt ein unglaublich anspruchsvolles Publikum. Gut gefallen hat mir auch, dass Kay Johannsen mich stets kollegial und auf Augenhöhe behandelt hat – dadurch war das Arbeiten immer sehr angenehm und motivierend.

Zur »Stunde«: Zum Abschied gibt es am 2. März noch einmal eine »Stunde« mit Dir zu erleben, gemeinsam mit einer Sängerin und einem Geiger. Dafür hast Du Dir – wie ich finde – ein besonders schönes Programm ausgedacht.

Ja, ich hoffe! Für ein protestantisches Umfeld ist unser Programm ja nicht alltäglich, weil es darin um einen alten Marienhymnus, das »Ave maris stella«, und um ein altes Mariengebet, das »Ave Maria«. Beide sind als gregorianische Choräle überliefert. Mir gefällt die Gregorianik – und weil ich in meiner ganzen Stuttgarter Zeit nie etwas mit gregorianischen Themen gemacht habe, wollte ich das zu guter Letzt noch gerne tun. Es gibt ja eine Unmenge von Orgelstücken über gregorianische Themen, sie waren auch immer schon eine sprudelnde Inspirationsquelle für die Improvisation. Außerdem liebe ich die französische Orgelmusik – und davon wird es jede Menge zu hören geben in dieser »Stunde«!

Da bin ich gespannt! Vielen Dank, lieber Felix, für das Gespräch – und Dir alles, alles Gute: Toi-toi-toi für Dein Abschiedskonzert und für Deine Zukunft. Wir werden Dich vermissen!

Das Gespräch führte Ulrike Albrecht